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IV.

28. Der Ausdruck Princeps und weiter Princeps imperii für den einzelnen Reichsfürsten bezieht sich nicht darauf, dass er der Erste in dem ihm untergeordneten Kreise war, sondern dass er zu den Ersten im Reiche gehörte; 29. aus dem genaueren: Unus ex regni principibus, wurde erst im zwölften Jahrh. das ungenaue Princeps und Princeps noster, 30. und weiter Princeps imperii.

V.

31. Der Ausdruck Principatus schliesst sich zunächst an den Princeps in ursprünglicher Bedeutung; 32. seit dem Aufkommen des Ausdrucks Princeps regni bezeichnet Principatus auch die fürstliche Amtsgewalt und weiter anschliessend an den Begriff des Princeps terrae das fürstliche Gebiet; früh und häufig in Oesterreich und Steier, selten in der Reichskanzlei.

VI.

33. Beschränken wir die Untersuchung zunächst auf die Zeit vor dem J. 1180, so kann es zweifelhaft erscheinen, ob wir einen älteren Reichsfürstenstand als fest begränzten Stand annehmen dürfen. 34. Dagegen spricht, dass oft alle Zeugen schlechtweg als Principes bezeichnet werden. 35. Es werden aber auch die Ministerialen, 36. die Judices, 37. und bei schärferer Scheidung der Klassen auch die Edeln von den Fürsten geschieden, insbesondere in Sachsen, während sie in Baiern ihnen zugezählt werden. 38. Insbesondere spricht für eine feste Abgrenzung des Standes die Rücksicht, welche bei Strafbestimmmungen auf ihn genommen wird.

VII.

39. Die Mitglieder des ältern Reichsfürstenstandes genauer zu bezeichnen, unterliegt Schwierigkeiten. 40. Zu ihnen gehören der römische König, Könige überhaupt, 41. die Mitglieder der königlichen Familie. 42. Von geistlichen Grossen der Patriarch, die Erzbischöfe und Bischöfe, 43. die reichsunmittelbaren Aebte 44. und Aebtissinnen, 45. aber ausser etwa dem Probste von Aachen keine Pröbste, 46. während der Reichskanzler Reichsfürst ist. 47. Bezüglich der weltlichen Grossen haben wir uns an die Amtstitel zu halten; 48. den Vorrang behaupten die Herzoge; 49. auf sie folgen Markgrafen, Pfalzgrafen, Landgrafen, endlich einfache Grafen; 50. doch wird diese Rangordnung wenig beachtet 51. Auch die Grafen werden häufig im allgemeinen als Fürsten bezeichnet und einzelne unter denselben aufgeführt; 52. dass sie auch vielfach zu den Liberi oder Nobiles gezählt werden, spricht an und für sich nicht gegen ihren Fürstenstand, 53. für welchen insbesondere beweisend ist, dass sie bei scharfer Scheidung der Klassen immer zu den Fürsten zählen und häufig nur Grafen als Fürsten bezeichnet sind. 54. Nicht zu den Fürsten zählen die Ministerialgrafen; 55. aber es finden sich auch Stellen, an welchen von den edeln Grafen einige zu den Fürsten gezählt werden, andere nicht. 56. Die Vermuthung, dass die Burggrafen nicht Fürsten waren, erprobt sich nicht; 57. eben so wenig die, dass nur die vom Reiche mit der Grafschaft belehnten Fürsten waren. 58. Einen Haltpunkt scheint hier ein Auseinanderhalten der einzelnen Reichslande zu geben, insofern man in Lothringen alle Grafen, aber keine Edle, in Baiern und Schwaben alle Grafen und Edle zu den Fürsten rechnete, in Sachsen aber nur die vom Reiche belehnten Grafen und die den Grafentitel führenden Nebenlinien der markgräflichen Häuser; als Regel der Reichskanzlei aber ist anzunehmen, dass sie alle Grafen zu den Fürsten zählte. 59. Dagegen gehörten blosse Edle dem Fürstenstande nicht an. 60. Ist der Amtstitel Kennzeichen des weltlichen Fürstenstandes, so ergeben sich Schwierigkeiten aus dem Schwanken der Titel und dem Umstande, dass dieselben Personen bald mit, bald ohne Amtstitel erscheinen, 61. insbesondere auch der Grafentitel sehr willkürlich und schwankend gebraucht wird. 62. Der ältere Reichsfürstenstand war ein Amtsadel, welcher aber im zwölften Jahrh. seine Bedeutung schon wesentlich eingebüsst hatte.

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_020.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)