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gekommen sein. Zugleich muss Mähren zur Markgrafschaft erhoben sein; denn während die frühern Herrscher sich, als dem böhmischen Herzogshause angehörend, Herzoge nannten oder aber des allgemeinern Ausdruckes Princeps bedienten, und der Primezla marggravius de Moraria[1] in Kaiserurkunde von 1179 schon nach seiner Stelle nur ein untergeordneter Beamter zu sein scheint, führt nun der Herrscher den Markgrafentitel. Konrad Otto wird vom Geschichtschreiber zuerst zum J. 1184 so bezeichnet[2]; ein bestimmteres Zeugniss haben wir an einer Kaiserurkunde von 1187, in welcher er unter den andern Markgrafen als Otto marchio Moraviae erscheint[3]; noch 1190 nennt er sich Otto d. gr. Boemorum dux quondam marchio Moraviae.[4] Dadurch widerlegt sich auch die Annahme, Konrad Otto habe bei der Sühne mit Friedrich 1186 dem Markgrafentitel entsagt, erst 1197 sei dann Mähren durch Vertrag der Brüder Przemysl Ottokar und Wladislaw Heinrich wieder zu einer von Böhmen abhängigen Markgrafschaft geworden.[5] Die betreffenden Stellen der Geschichtschreiber geben nichts näheres über das nunmehrige Verhältniss Mährens an; doch hat noch 1192 Kaiser Heinrich Böhmen an Przemysl, Mähren an Wladislaw Heinrich verliehen, so dass beide als reichsunmittelbare Fürstenthümer betrachtet wurden.[6] Wladislaw erscheint denn auch in Kaiserurkunde von 1192 als Heinricus marchio Moravie[7]; dann ist der Titel zunächst nicht mehr nachzuweisen, ausser in einer verdächtigen Urkunde von 1195: Henricus dux Boemie et episcopus nec non marchio Moraviae[8]; auch kann es auffallen, dass 1196 und 1197 die Theilfürsten von Lundenburg und Brünn sich des Titels princeps Moraviae und dux Moraviensis bedienen.[9] Seit 1199 führt dann wieder Wladislaw regelmässig den Markgrafentitel[10]; durch den Vertrag vom J. 1197, weiter bei Gelegenheit der Erhebung Ottokars zum Könige im J. 1198 mögen die staatsrechtlichen Beziehungen Mährens zu Böhmen und zum Reiche bestimmt geordnet sein; spätere Untersuchungen werden uns darauf zurückführen.

Dort nicht genauer unterrichtet zu sein, würden wir um so mehr 72 zu bedauern haben, wenn wir uns nun als nächstes Beispiel einer Erhebung in den Fürstenstand auf die Errichtung des Herzogthumes Braunschweig im J. 1235 hingewiesen sähen. Dazwischen aber liegt noch ein Ereigniss, welches, so viel ich weiss, in der deutschen Verfassungsgeschichte bisher nicht beachtet wurde, für unsern Zweck aber von der grössten Wichtigkeit ist, nämlich die Erhebung des Grafen von Hennegau zum Reichsfürsten und Markgrafen von Namur im J. 1188, Ist uns auch die Erhebungsurkunde nicht erhalten, so sind wir doch hinlänglich genau über ein Ereigniss unterrichtet, dessen möglichst

  1. C. d. Mor. 1, 301.
  2. Dobner 1. 112.
  3. Meiller 64.
  4. C. d. Mor. 1, 331.
  5. Palacky 1, 497. 2, 56.
  6. Dobner 1, 122. Ansbert ed. Dobrowsky 112. 129.
  7. C. d. Westf. 2, 221.
  8. C. d. Mor. 1, 339.
  9. Erben n. 426. 427. 434.
  10. Erben n. 446. 451. 458. 460 u.s.w.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_135.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)