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wenigstens vor angesehenen Magnaten[1], bald aber auch hinter Grafen.[2] Zeichen fürstlicher Würde zeigen sich übrigens nicht; 1328 heisst der Präfekt von Vico nobils.[3]

Bei den neu aufstrebenden Geschlechtern, den Visconti, della Scala u. a. ergeben sich nirgends Anzeichen fürstlicher Stellung; in Kaiserurkunden heissen sie nobiles[4]; in andern werden sie oft magnifici genannt, wohl um die gewöhnlichen Prädikate des Fürsten, wie des Magnaten zu vermeiden; doch heissen in ihnen die Visconti auch wohl schon vor ihrer Erhebung illustres principes.[5] Wir haben sogar bezweifelt, dass Castruccio, auch seit er 1328 zum Herzoge von Lucca erhoben wurde, Reichsfürst war[6]; ist unser Zweifel gegründet, so würden wir hier ein weiteres Beispiel finden, dass das Prädikat illustris auch Nichtfürsten zukommen konnte; denn so auffallend in den betreffenden Urkunden die Ausdrücke princeps und principatus vermieden sind, so heisst er doch nicht allein illustris, sondern wird ausdrücklich in ducem cum dignitate illustri ernannt.[7]

Es ergibt sich demnach, dass Italien in dem für uns zunächst zu beachtenden dreizehnten Jahrhunderte überhaupt keine weltliche Reichsfürsten hatte.

187 Fassen wir die Resultate der bisherigen Untersuchung in eine Uebersicht zusammen, so ergeben sich sechszehn ältere Fürstenthümer, insofern wir darunter diejenigen verstehen, welche seit dem Beginne unserer Periode als solche galten, nämlich:

Rheinpfalz, Lothringen, Oesterreich, Brandenburg,
Baiern, Brabant, Steier, Meissen,
Schwaben, Kärnthen, Thüringen, Lausitz,
Sachsen, Böhmen, Pfalzsachsen, Anhalt.

Nur für Anhalt könnte es fraglich scheinen, ob es hieher zu ziehen ist, zumal es von den genannten das einzige ist, welches vom Beginne unserer Periode bis 1212 mit einem andern Fürstenthume, Brandenburg, unter einem Fürsten vereinigt war; spätere Erörterungen werden uns darauf zurückführen. Die genannten, wenn wir von den besondern Verhältnissen Schwabens absehen, wurden später auch dann, wenn sie an andere Häuser übergingen oder mit andern Fürstenthümern vereinigt wurden, als besondere Fürstenthümer betrachtet und machten den Magnaten zum Fürsten, welcher mit ihnen beliehen wurde; das Verhältniss ruht also hier auf wesentlich dinglicher Grundlage.

Neben diesen finden wir nun aber noch ein anscheinend vorwiegend auf persönlicher Grundlage beruhendes Verhältniss, Fürsten ohne Fürstenthum, wenn uns zu diesem Ausdrucke der Umstand berechtigt,

  1. Reg. Ott n. 115. 152.
  2. Reg. Ott n. 142. 150.
  3. Olenschlager St. G. 156.
  4. z.B. Acta Henr. 2, 215.
  5. z.B. 1368: Ughelli 4, 643.
  6. Vgl. § 84.
  7. Olenschlager St. G. 153.157.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_262.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)