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Titel eines Landgrafen von Thüringen, wie er sich denselben auch in der von ihm selbst ausgestellten Beurkundung des Geschäfts beilegt; aber er wäre sowohl dem ältern Landgrafen, als dem Herzoge gegenüber bestimmt als Nichtfürst bezeichnet; nach der zweiten Lesart würden die Gegensätze fortfallen, auch Hermann wäre Fürst. Der Lesart des ersten Abdrucks möchte ich den Vorzug geben, liesse sich nicht nachweisen, dass er an andern Stellen entschieden verfälscht sei.[1] Den Titel von Hessen führte übrigens Hermann nicht ausschliesslich, da schon 1241 auch Heinrich seinen Titeln den eines dominus Hassiae zufügt.[2]

Wir treffen demnach hier auf ein vielleicht nicht ganz fest gestaltetes, aber jedenfalls von den bisher geprüften wesentlich abweichendes Verhältniss. Von den drei Landgrafen lässt sich allerdings der eine vorzugsweise als der Reichsfürst nachweisen, und dass Hermann Graf von Hessen heisst, deutet auf ein Anschliessen an den ältern Gebrauch; aber auch die beiden jüngern führen den fürstlichen Amtstitel, nennen sich mehrfach vom Fürstenthume, allerdings gewöhnlich mit dem Zusatze junior, durch welchen hier vielleicht weniger der Altersunterschied, als der Unterschied der staatsrechtlichen Stellung betont werden soll; endlich wurde Konrad vom Kaiser sogar als sein Fürst bezeichnet. Ob etwa schon hier eine Gesammtbelehnung eine rechtliche Grundlage für die Vervielfältigung der Titel bot, ist nicht bekannt. Von Wichtigkeit für die allgemeine Entwicklung dieses Verhältnisses konnte aber auch dieser Fall nicht werden, da nach dem kinderlosen Tode Konrads 1240 und Hermanns 1242 die Einheit des Titels sich wiederherstellte.

Fanden wir das Verhältniss der Fälle, in welchen beim Tode eines Fürsten jüngere Söhne da waren, zu denen, in welchen das nicht der Fall war, an und für sich höchst auffallend, so ist es gewiss nicht minder auffallend, dass von den bisher erörterten sieben Fällen jener Art keiner zur Gründung einer Nebenlinie des Fürstenhauses führte; alle zehn jüngern Brüder und der ihnen gleichzustellende Hermann von Hessen starben ohne Kinder oder erhielten selbst das Fürstenthum nach kinderlosem Tode des ältern Bruders. Abgesehen von den lothringischen Herzogshäusern und dem noch zu besprechenden letzten Falle, weiter von den vor 1180 abgetheilten Linien, bestanden von 1242 bis 1262 alle deutschen Fürstenhäuser im Mannsstamme lediglich aus dem regierenden Fürsten und seinen Söhnen, welche letztere zudem vielfach fehlten. Mit diesem Fehlen von Nebenlinien der Fürstenhäuser steht denn natürlich im engsten Zusammenhange die rasche Folge der Fälle, wo mit dem Todesfalle eines Fürsten, mit welchem sein Haus oder doch seine Linie ganz erlosch, eine Vereinigung mehrerer Fürstenthümer erfolgte; es wurden vereinigt 1190 Thüringen mit Pfalzsachsen, 1191 Rotenburg mit Schwaben, 1192 Steier mit Oesterreich, 1198 nach kurzer Trennung Oesterreich mit Steier,

  1. Or. Guelf. 4, pr. 73. 75. Vgl. Wenck 2, T. 728.
  2. Butkens 1, 90.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_279.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)