Seite:Ficker Vom Reichsfürstenstande 336.jpg

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werden, ziemlich freigebig mit dem Fürstentitel auch da, wo er früher nicht üblich war. Dagegen dürften sie sämmtlich, und zwar schon vor den Zeiten der Anjou, die Temporalien von den Grafen von Provence erhalten haben; so sagt Graf Ildefons im J. 1203: concedo tibi R. d. gr. Forojuliensi episcopo fideli nostro et omnibus successoribus tuis in perpetuum omnes justitias hominum qui sunt vel erunt in posterum in tenemento Forojuliensis ecclesiae [1]; 1237 verkauft Raimund Berengar dem Bischofe alle seine Rechte in Stadt und Gebiet von Grasse, aber excepto dominio suo majori [2]; endlich sahen wir bereits, dass die Bischöfe von Fréjus, Digne, Glandève, Vence und Grasse 1238 dem Grafen den Treueid leisteten [3]; ist mir für Riez und Senez kein Beleg bekannt, so dürfte ihre Stellung kaum eine andere gewesen sein. Im Vertrage von 1333 wird denn auch keines dieser Bisthümer, sondern nur die Grafschaft Provence aufgeführt.

Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergibt sich, dass in Burgund die Reichsunmittelbarkeit der Bisthümer wohl im allgemeinen die Regel bildet, sich aber doch nicht so durchgreifend findet, wie im deutschen Königreiche. Der Fürstenstand scheint auch hier in näherer Verbindung zu derselben zu stehen, insofern die Bischöfe, welche wir bestimmt als Fürsten bezeichnet finden, sich durchweg auch als reichsunmittelbar nachweisen lassen. Doch dürften die von uns beigebrachten Zeugnisse an und für sich kaum hinreichen zur Begründung der Behauptung, dass alle reichsunmittelbaren Bischöfe auch als Reichsfürsten galten. Zum Theil erklärt sich das aus der Dürftigkeit der Zeugnisse. Wir können aber weiter nicht läugnen, dass bei burgundischen Bischöfen der Fürstentitel häufig fehlt, wo er nach Analogie des Kanzleigebrauchs bei Bezeichnung deutscher Bischöfe zu erwarten wäre, und zwar schien es, dass die Reichskanzlei im dreizehnten Jahrhunderte keine den damaligen geänderten Verhältnissen entsprechende selbstständige Ansicht über die staatsrechtlichen Verhältnisse der burgundischen Stände hatte, da sie sich auffallend ängstlich an die vorgelegten ältern Privilegien hält. [4] Dann werden wir aber auch wohl von vornherein schliessen dürfen, dass der Fürstenstand hier, wenn wir von Hochburgund absehen, nicht dieselbe hervorragende Bedeutung hatte, wie in Deutschland; und die Untersuchungen über die fürstlichen Vorrechte werden das allerdings bestätigen.

217 Bei Erörterung der Frage, welche von den italienischen Bischöfen Reichsfürsten waren, treffen wir auf ähnliche Schwierigkeiten. Müssen wir es bei einzelnen geradezu als Zufall betrachten, dass wir sie etwa in einer vereinzelten Stelle Fürsten genannt werden, so finden wir wieder andere, bei welchen die Kennzeichen des Reichsfürstenstandes eben so häufig hervortreten, wie bei den mächtigsten deutschen Bischöfen; wie das in Burgund vorzugsweise solche waren, wie Bisanz und Basel,

  1. Gallia chr. 1, 85
  2. Gallia chr. 3, 219.
  3. Vgl. § 215 n. 7.
  4. Vgl. § 213 n. 16.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_336.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)