Seite:Ficker Vom Reichsfürstenstande 341.jpg

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Es liesse sich hier zunächst an das Rechtsverhältniss denken, welches wir bereits bezüglich der Bisthümer Bamberg und Kamin erwähnten [1], dass nämlich Bischöfe bezüglich ihrer Temporalien lediglich dem römischen Stuhle unterworfen waren. In Burgund gab es solche nicht; zahlreich waren sie dagegen in Italien, und 1122 im Wormser Konkordate wird ausdrücklich bestimmt, der Kaiser solle den Bischöfen des Reichs ausserhalb Deutschland binnen sechs Monaten nach der Konsekration die Regalien mit dem Szepter ertheilen: exceptis omnibus que ad Romanam ecclesiam pertinere noscuntur.[2] Solche waren hier zunächst die Bischöfe von Pavia und Piacenza, vom Kämmerer Cencius als domini papae bezeichnet [3]; es ist mir denn auch für sie weder eine kaiserliche Regalienverleihung bekannt, noch irgend eine Stelle, in welcher sie Reichsfürsten genannt werden.

Dass sich aber jene Erzählung Arnolds gerade auf einen der päpstlichen Bischöfe beziehe, ist kaum wahrscheinlich, es würde dieses besondere Rechtsverhältniss schwerlich unberührt geblieben sein. Die ganze Entwicklung Oberitaliens kann gewiss den Gedanken an Bischöfe, welche nach Verlust ihrer Regalien nicht mehr Reichsstände waren, nur nahe legen. Und zwar dürfte das selbst den Metropoliten, den Erzbischof von Mailand, treffen. Im J. 1185 verleiht der Kaiser den Mailändern alle Regalien in archiepiscopatu Mediolanensi sive in comitatibus Seprii, Martesane, Burgarie, Leucensi, so weit sie nicht an andere verliehen seien.[4] Dass hier insbesondere die früher dem Erzbischofe zustehenden Regalien unmittelbar der Stadt geliehen seien, ist doch schwerlich zu bezweifeln; von einer kaiserlichen Belehnung für den Erzbischof ist mir denn auch nichts bekannt; und dem entspricht nur, wenn ich den Erzbischof nie als Reichsfürsten bezeichnet finde, eine Mitwirkung desselben bei Reichsangelegenheiten überhaupt so wenig hervortritt, dass, wenn er dem Reiche noch verpflichtet war, die häufige feindselige Stellung der Lombarden zur Erklärung dieses Umstandes kaum ausreichen dürfte. Unter den Kardinälen, Prälaten, Fürsten und Edlen, vor welchen K. Rudolf 1275 Okt. 20 zu Lausanne dem Papste schwur, erscheint auch der Erzbischof von Mailand, nur dem von Lyon nachstehend, aber vor denen von Ravenna, Embrun und Bisanz; er allein fehlt aber von den Erzbischöfen unter den Zeugen der in den gewöhnlichen Formen der Reichskanzlei am folgenden Tage ausgefertigten ausführlichern Versprechungsurkunde [5]; das mag Zufall sein, vielleicht aber auch eine Andeutung, dass er, wie die Kardinäle, nur als Würdenträger der Kirche, nicht als Fürst des Reiches auf dem Tage war.

Finde ich für mehrere lombardische Bischöfe, wie die von Crema, Tortona, Alba weder eine Belehnung, noch den Fürstentitel, während die von Cremona, Bergamo, Asti nur in der für genauere staatsrechtliche

  1. Vgl. § 205.
  2. M. G. 4, 75.
  3. Muratori ant. 5, 870.
  4. Lupus 2, 1354.
  5. M. G. 4, 404. 406.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_341.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)