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222Von den Bischöfen der Mark Ancona fanden wir früher den von Camerino ausdrücklich als Nichtfürsten bezeichnet [1], und es scheint, dass sie sämmtlich als zur Mark gehörig betrachtet wurden. Denn 1210 heisst es in Urkunde K. Ottos für den Markgrafen von Este: damus ei atque concedimus totam marcham Anchone, sicut marchio Marquardus habuit et tenuit – videlicet civitatem Asculi cum toto comitatu et episcopatu; weiter ebenso Fermo, Camerino, Umana, Ancona, Osimo, Jesi, Sinigaglia, Fano, Pesaro, Fossombrone und Cagli, und zwar jedesmal mit Grafschaft und Bisthum.[2] Unter päpstlicher Hoheit, wo an Reichsunmittelbarkeit noch weniger zu denken ist, scheint das Verhältniss nicht anders gewesen zu sein; wenn der später vom Papste belehnte Markgraf 1228 dem Bischofe von Fossombrone Stadt, Bisthum und Grafschaft auf drei Jahre überträgt [3], so dürfte jener doch Herr der Temporalien des Bisthums gewesen sein. Entsprechend finden wir diese Bischöfe denn auch nie Fürsten genannt, oder mit Regalien belehnt. Eine Ausnahme ergibt sich für den Bischof von Ascoli. Wir führten bereits an, wie ihn K. Konrad 1150 mit den Regalien investirte und in consortium principum nostrorum aufnahm [4]; in spätern Kaiserurkunden von 1185, 1195, 1209, 1222 wird er zwar nicht Fürst, sondern nur Getreuer genannt; doch heisst es noch 1209: regalibus quoque Asculanae ecclesiae cum comitatu et universis eius pertinentiis, cum omni honore et iurisdictione, excepto imperiali, eum investivimus.[5] An eine dauernd wirksame Reichsunmittelbarkeit dürfte auch hier kaum zu denken sein; wird das Bisthum 1210 gleichfalls ausdrücklich zur Mark gezählt, so ist auch von späterer Regalienverleihung nichts mehr bekannt.

223Die Bischöfe Tusziens scheinen in früherer Zeit in ihren Temporalien von den Markgrafen abhängig gewesen zu sein. Kosmas von Prag erzählt: Hisdem diebus venerat Romam Machtildis potentissima domina, quae post obitum patris sui Bonifacii tocius Longobardiae simul et Burgundiae suscepit regni gubernacula, habens potestatem eligendi et intronizandi sive eliminandi 120 super episcopos.[6] So offenbar übertrieben diese Nachricht nun auch ist, so werden wir ihr doch um so eher einiges Gewicht einräumen dürfen, da sie sich in einzelnen Fällen durch glaubhafte Zeugnisse bestätigen lässt. In einer Schenkungsurkunde für Pisa vom J. 1078 nennt nämlich Mathilde sich selbst: offertrix et donatrix ipsius episcopii Pisanensis.[7] In Urkunde von 1098 heisst es: per fustim quem in suis tenebat manibus comitissa Mathilda – investivit homines Cremonae – a parte S. Mariae Cremonensis ecclesiae seu ad communum ipsius Cremonae civitatis de toto comitatu Isolae Fulkeri omnia et ex omnibus quantum ad suprascripta

  1. Vgl. § 200 n. 7.
  2. Ant. Est. 1, 392.
  3. Muratori ant. 1, 336.
  4. Vgl. § 64 n. 6.
  5. Ughelli 1, 457. 460. 462. 463.
  6. M.G. 11, 87.
  7. Ughelli 3, 363.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_345.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)