Seite:Ficker Vom Reichsfürstenstande 349.jpg

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Durch dieses Kennzeichen werden wir uns auch hier leiten lassen dürfen, insofern sich wenigstens im allgemeinen ergibt, dass die Aebte, welche Fürsten genannt werden, auch vom Reiche belehnt wurden, und umgekehrt; dass die Zahl derjenigen, von welchen wir nur das eine oder andere nachweisen können, nicht grösser ist, als dass wir dabei recht wohl Zufall wirksam denken dürfen; wir werden demnach, vorbehaltlich näherer Prüfung bei später sich bietenden Haltpunkten, bei den mit den Regalien belehnten Aebten auch dann den Fürstenstand vermuthen dürfen, wenn der Fürstentitel bei ihnen nicht nachweisbar sein sollte. Bezüglich der Bischöfe konnten wir diese Auffassung von vornherein aus Stellen jener Zeit etwas fester begründen [1]; für Aebte sind mir solche nicht bekannt, insofern wir hier absichtlich von den Angaben der Rechtsbücher, welche mit dieser Auffassung durchaus übereinstimmen, absehen; aus späterer Zeit liesse sich etwa anführen, dass der Papst 1459 vom Abte des damals in eine Probstei verwandelten Klosters Elwangen sagt: qui princeps Romani imperii semper existit ac privilegio principum utitur et de regalibus per Romanos imperatores investitur.[2] Zu voreilig Regalien und Fürstenstand in nothwendiger Verbindung zu denken, wird uns aber doch der Umstand abhalten müssen, dass das Gesagte sich zunächst nur für Deutschland erprobt, dass wir insbesondere in Italien wohl Regalienverleihungen an Aebte kennen, aber keinen als Fürsten bezeichnet finden.

Bei den Bischöfen schien sich keine Veranlassung zu bieten, in dieser Richtung Reichsunmittelbarkeit und Belehnung durch das Reich auseinanderzuhalten. Ist es nun auch unsere Absicht, die weltlichen Beziehungen der Abteien zum Reiche später eingehend zu erörtern, so werden wir es doch nicht umgehen können, hier schon vorläufig einige Andeutungen über jenes Verhältniss zu geben, ihre weitere Rechtfertigung, so weit sie einer solchen überhaupt bedürfen, der spätern Ausführung vorbehaltend; werden sich uns danach einige weitere Haltpunkte für eine Scheidung der Aebte nach Klassen bieten, so würde hier eine Nichtbeachtung des Umstandes, dass wohl alle vom Reiche mit den Regalien belehnten Aebte reichsunmittelbar waren, nicht aber umgekehrt, die Untersuchung durchaus verwirren; die Vermuthung des Fürstenstandes, welche wir für den belehnten Abt aufstellten, werden wir nicht auf jeden reichsunmittelbaren Abt ausdehnen dürfen.

Nach den Anschauungen der dem Investiturstreite vorhergehenden Jahrhunderte hatte jedes Bisthum oder Kloster einen Herrn, welchem das Eigenthum an den Temporalien desselben zustand, wenn er auch bei der Ausübung der daraus fliessenden Rechte wesentlich gebunden war; der Gründer, welcher das Stift mit weltlichem Besitze ausstattete, behielt dieses Eigenthum sich und seinen Nachkommen vor oder übertrug es einer andern Gewalt; wurden dabei wohl vielfach Bestimmungen

  1. Vgl. § 201.
  2. Lünig 18, 126.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_349.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)