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römischer Analogieen wird im 18. Jahrhundert durch einen andern Vergleich verdrängt. Der Einfluss Englands auf Wissenschaft und Leben, der Sinn für die Oeffentlichkeit und das geschriebene Recht machten sich geltend. Man fing an, von der WC. in hohem Tone als der magna charta Germaniens zu reden; das wichtigste Reichsgesetz für jeden deutschen Staatsbürger sollte sie sein. Gelehrte suchten ihre Sprache allgemeiner verständlich zu machen; man fragte, ob nicht Dohm und Spittler besser als J. J. Moser das Muster für ihren Stil bildeten. Der deutsche Staatsbürger, der die WC. zur Hand genommen hätte, würde wahrscheinlich das Urtheil des französischen Grafen de Chatenay getheilt haben, der nach Beendigung eines Privatissimum bei Pütter meinte: die vielgerühmte deutsche Freiheit scheine ihm mehr eine Freiheit der deutschen Fürsten und Reichsstände zu sein als der Unterthanen. Ein Urtheil, dem Pütter die Worte zufügt: ganz konnte ich ihm diesen Scrupel nicht benehmen[1].

Als die französische Revolution schon an die Pforten des Reichs klopfte, hat es noch zweimal sein Oberhaupt wechseln müssen. Beidemal wurde eine WC. festgestellt: die Franz’ II. allerdings in einem abgekürzten Verfahren, die Leopolds II. noch in voller Umständlichkeit. Manchem Patrioten stieg das Bedenken auf, ob es denn rathsam sei, den Kaiser noch mehr einzuschränken, als er es schon war[2]. Andern war schon die WC. Karls VII. viel zu ausführlich und ausgedehnt gegen früher erschienen. Es wäre das Beste, hatte die Schrift: was ist gut Kayserlich? gemeint[3], jedem Kaiser bloss eine kurze körnige allgemeine … WC. vorzulegen. Dann hätte man die Hoffnung, dass er sie bisweilen oder auch nur einmal läse. Jetzt erfordert es viel Zutrauen auf den Fleiss und Geschmack an Urkunden, um dies zu glauben.


  1. Selbstbiogr. II 666.
  2. Der Verfasser einer 1790 unter diesem Titel erschienenen Schrift (Pütter-Klüber, Litt. des StR. IV 88) war Benj. Fr. v. Mohl, der Vater von Robert v. Mohl.
  3. Der Verfasser ist F. C. v. Moser, 1766 (Pütter, Litt. II 147).
Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Frensdorff: Das Reich und die Hansestädte. Weimar: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Bd. 20 = 33 , 1899, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Frensdorff_Das_Reich_und_die_Hansest%C3%A4dte_126.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)