Seite:Gang zwei 1.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gang zwei von Carl v. Ossietzky

Der erste Gang hat mit dem Sieg Hindenburgs geendet. Die Sozialdemokratie hat dem alten Marschall einen gewaltigen Vorsprung gesichert. Duesterberg und Hugenberg, die sich zwischen den Fronten einen kleinen Sonderprofit sichern wollten, kehren als gueules cassées aus der Wahlschlacht zurück. In Preußen hat Otto Braun soeben mit einem kräftigen Trompetenstoß den Wahlkampf eingeleitet. Die Preußenwahl, das ist der dritte Gang, der wichtigste, in dem Duell zwischen Republik und Fascismus. Aber Gang zwei am 10. April wird auch für das Ringen um Preußen entscheidend werden.

Wir haben hier vor einer Woche am Ende der Wahlnacht die Frage aufgeworfen: Wer hat gesiegt? Darauf hat es inzwischen noch keine Antwort gegeben. Die Hindenburger feiern und haben keine Lust, sich von Skeptikern den Ausblick in eine wolkenlose Zukunft vermiesen zu lassen. Und am lautesten jubilieren wieder die Etappenschweine der politischen Linken, die sich seit September Dreißig still verhielten und sich in ihren freundlichen Winterquartieren schon eine neue Fahne nähen ließen, um sie beim Herannahen der fascistischen Truppen aufzuziehen. Heute tun sie so, als hätten sie alles allein gemacht. Es ist gewiß hart, diesen vielen glücklichen Menschen jetzt eine Denkaufgabe zumuten zu müssen, aber wir kommen nicht drum herum. Die verschiedenen Teilnehmer des Hindenburgblocks müssen jetzt endlich erklären, was sie eigentlich wollen.

In der Tat, gesiegt hat keine politische These, kein Programm. Gesiegt hat nur ein sehr berühmter alter Mann. Gesiegt hat Hindenburg, ein Stück Legende, ein heroischer Rahmen, in den ein jeder nach Belieben ein buntes Geflecht von Illusionen spannen kann. Gesiegt hat ein historischer Name, der, realpolitisch betrachtet, jedoch nur ein Zéro darstellt, vor das erst eine konkrete Größe zu setzen ist. Wer diese Zahl setzen darf, der wird am Ende der wirkliche Sieger sein.

Was werden soll, ist am 13. März nicht entschieden worden. Nur eine Ablehnung ist, wenn auch mit erschütternder Stärke, zum Ausdruck gekommen. Abgelehnt worden ist der fascistische Cäsaropapismus, die Vereinigung von aller Macht über Geister und Leiber in der Hand eines „Führers“. Darüber herrscht Übereinstimmung, sonst findet man in Hindenburgs Mehrheit bei bestem Bemühen kein weiteres einheitliches Motiv. Die Sozialdemokraten haben für Hindenburg gestimmt, weil die Partei es so befahl. Die Mehrzahl der bürgerlichen Indifferenten, weil sie in Hitler nur einen Unruhefaktor sehen und ihnen wohl auch die Form der von den Fascisten geführten Agitation unappetitlich erschien. Die politisch Interessierten von rechts dagegen hätten viel lieber ein Bündnis Hindenburg-Hitler gewünscht als die beiden in Front gegeneinander. Es läßt sich nicht annähernd schätzen, wie viele solcher Hindenburgwähler darauf brennen, am 24. April mit ihrem Stimmzettel die „rote Wirtschaft“ in Preußen zu beseitigen.

Empfohlene Zitierweise:
Carl von Ossietzky: Gang zwei. Berlin: Verlag der Weltbühne, 22. März 1932, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gang_zwei_1.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)