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zu seiner Heyrath erwartet, — sich in einer schwachen Stunde dahin reissen lässt, wenn er glaubt, dass er sich nach so vielen marternden Stunden, von seinem Kummer in dem Schoos einer Freundin erhohlt, deren Besiz ihm alle Welt, als unausbleiblich, als nächst bevorstehend versichert? Wo ist nun die Schandthat? wo die Heucheley? wo das Verderbnis der Sitten? Es war gefehlt, das läugne ich nicht: aber wenige Menschen haben verzeihlicher gefehlt. Wo ist die Fertigkeit? wo die böse Absicht? — Es ist traurig, wenn ein Mensch geschehen lassen muss, dass seine Ehre, auf eine so widerrechtliche Art so tief gekränkt, und das weniger unterrichtete Publicum, so unnötiger Weise in eine solche Gährung versezt werde.

So weit waren wir indessen gekommen. Nun bekam die Sache auf einmal eine minder günstige Wendung. Nach einer ziemlichen Zwischenzeit, als ich nichts weniger als die würkliche Dispensation erwartete, kam über Wien von Rom aus die Nachricht, dass man von Seiten des vicariats unterlassen habe, die nötigen Producte beyzulegen, und dass überhaupt dies Vorschreiben nicht so nachdrükklich abgefasst sey, als es in solchen Fällen nöthig und gewöhnlich sey. Man stelle sich meine Verlegenheit vor. Ich musste mich also neuerdings an Eichstädt wenden. Ich erhielt zwar nun die noch abgängige Producte, aber an eine weitere nachdrücklichere Empfehlung war unsers Ansuchens ungeachtet nicht zu denken. Auf diese Art konnte bis in das Monat Julius keine andere Antwort erfolgen, als dass ich an keine Dispensation zu denken hätte, wenn mein Gesuch nicht von einer anderen Seite nachdrücklicher von einem grossen Herrn unterstüzt würde. Indessen war meine Frau schon gegen das Ende des dritten Monats in ihrer Schwangerschaft vorangerückt, und in allem Fall meine und ihre Prostitution unvermeidlich. Man denke sich in meine Lage.

Gesezgeber und Richter! Ihr alle, die Ihr die Handlungen der Menschen zu beurteilen habt! Hört die Stimme eines Menschen, der sich selbst in dieser Lage befand, der sich bey einem besser ausgebildeten Verstand so wenig helfen, so wenig den reggewordenen marternden Vorstellungen einer düstern, alles Übel verkündigenden Zukunft widerstehen konnte, der vielleicht darum dies alles erfahren musste, um der Retter und Fürbitter so vieler Menschen zu werden, die sich nach mir in einer ähnlichen Gemüthslage befinden werden. Hört mein Wort: denkt euch doch nur die Lage einer solchen Person; denkt, was ihnen

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_218.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)