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die äusserlich bunt schillernd, beim ernsthaften Zufassen jedoch zerplatzt. —

Und dennoch war die Absicht Weishaupts nicht schlecht. Sie enthält auch einen brauchbaren, guten Kern, den er selbst lebhaft erfasste, nur das höchste Ideal, dessen berechtigte Aufstellung er auch in seinen späteren philosophischen Werken immer wieder betont, das er als idea victrix preist und in den Statuten durchleuchten lässt, war zu hoch gestellt. Das Mittel, dieses Ideal der Vollkommenheit zu erringen, sollte die Selbst- und Menschenkenntnis sein. Hätte er sich zunächst mit diesem Mittel begnügt, dieses Studium bestens ausgebildet und als Ordenszweck festgehalten, so wäre vielleicht ein System ausgebildet worden, das noch Geltung haben könnte und Anhänger. Er tat es nicht, verlor dadurch, wie wir gesehen haben, seinen Einfluss auf die massgebenden Mitglieder und ward nun alsbald der Spielball derer, die er eigentlich erziehen wollte. — Weishaupt vergass auch, dass das Unterfangen, Menschen zu verbessern, schon deswegen das schwierigste ist, weil jeder Mensch sich selbst stets für leidlich gut hält und sehr unangenehm in den meisten Fällen wird, falls man diese Tatsache zu bezweifeln wagt. Auch die Neigung, sofort andere bestens zu belehren, bevor die erhaltenen Lehren noch selbst gründlich befolgt wurden, ist ein wesentliches Hindernis. Seine Schüler verfielen in diese Felder, verwirrten dadurch das System, missachteten dasselbe und hielten sich dann an andere vorteilhaftere Dinge. Der eigentliche zu hoch gespannte Zweck des Ordens wurde beiseite gesetzt, das Interesse erlahmte, weil die ideale Seite zu wenig Früchte zeitigte. Die Menschen wollen immer etwas Positives, sie haben wenig Sehnsucht nach dem Ideellen, oder dieses letztere müsste ein Mittel zur Erreichung des Positiven werden. Damit wird dann aber der Zweck leicht auf den Kopf gestellt.

Bei Wiederbelebung des Ordens entstand allmählig der Gedanke, es müsse doch möglich sein, Positives zu geben, um das Ideelle zu erreichen und zwar mittelst der Weishauptschen Grundtheorien. Letztere sollten jedoch nicht wieder ein bestimmtes himmelhohes Ideal mit fragwürdigen Konsequenzen aufstellen, sondern vielmehr das letzte höchste Ideal dem einzelnen gänzlich überlassen. Dadurch wechselte der Orden das Kleid. Er war nicht mehr der Tempel, in dem die Vollkommenheit einstens Wohnung nehmen würde, sondern nur

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 465. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_465.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)