Zum Inhalt springen

Seite:HansBrassTagebuch 1935-03-15 001.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

ich unter vier Augen ernsthaft mit ihm reden.

     Später trank ich bei Maria W. Kaffee. Ihre Krankheit steckt ihr noch immer in den Gliedern, doch schont sie sich, sodaß sie wohl bald wieder wohlauf sein wird.

Freitag, den 15. März 1935.     

     Gestern Abend fand die erste Veranstaltung der „Rheingau=Gesellschaft“ im Saal des Gemeindehauses statt. Es mögen etwa 50 – 90 Teilnehmer dagewesen sein, also ein mäßiger Besuch. Natürlich nur „Gesellschaft“. Sehr wenig Jugend. Von den Teilnehmern kannte ich die allerwenigsten vom Sehen, persönlich kannte ich nur Herrn Faensen u. Dr. Pauli, mit denen ich zusammen in der hintersten Reihe saß, ferner den Pfarrer M. u. den Organisten Ebel, die zusammen saßen. Von den Anwesenden waren mir nur einige aus dem sonntäglichen Hochamt bekannt, aus der Frühmesse nur ganz wenige. Kaplan Stahl war nicht erschienen! –

     Ein Herr Dr. Schimoni hielt eine kurze Einführungsrede in welcher er sagte, daß ein persönliches Kennenlernen der Gemeindemitglieder untereinander erreicht werden solle. Diesem Zweck sollen die „Veranstaltungen“ der Rheingau-Gesellschaft dienen. Das ist also, wie zu erwarten war, ein rein gesellschaftliches Programm. Es ist nicht gesagt worden, daß Leute, die nicht zur „Gesellschaft“ gehören, in diesem Kreise nichts zu suchen hätten.

     Sodann sprach ein Redakteur Bachmann. Ein ungemein sympatischer Mensch, der gute Sachen sagte, in der zweiten Hälfte seines Vortrages aber aus dem Konzept kam, weil er wohl fühlte, daß das, was er eigentlich sagen wollte u. was er dann nur notdürftig zum Ausdruck brachte, in diesem Kreise kein Verständnis finden würde.

     Er sprach zuerst von der allgemeinen Situation der berliner Katholiken, wobei er feststellte, daß der berliner Katholik seinen kirchlichen Verpflichtungen in Bezug auf Besuch der Sonntagsmesse gern u. willig nachkommt, aber außerhalb des Gotteshauses keinen großen Bekenntnis-Eifer zeigt, trotz Massenbesuches von Katholikentagen u. Sportpalast-Veranstaltungen. Er sagt gern: „Meine Religion ist meine Privatsache“, – d.h., er drückt sich, wenn es gilt, ein offenes Bekenntnis vor Andersgläubigen abzulegen u. etwa Konsequenzen im täglichen Leben zu ziehen.

     Sodann sprach er von Katholischer Aktion, u. hier wurde die Sache brenzlich. So lange er darstellte, was sich der hl. Vater darunter vorstellt, war es gut. Aber die Anwendung dieser Gedanken auf die Friedenauer bürgerliche Gemeinde war sehr zaghaft u. schüchtern. Er streifte recht vorsichtig die Notwendigkeit der Beseitigung der sozialen Unterschiede u. die Betätigung der Caritas usw., und machte darüber nur allgemeine Redewendungen. Man merkte, daß ihm das Gewissen vorschrieb, dergleichen zu sagen, daß er aber zugleich Angst hatte, zuviel zu sagen. Infolge dessen verlor sein Gedankengang jeden Zusammenhang, wurde konfus u. er konnte das Ende seiner Rede nicht finden. So verging die Sache, ohne daß etwas geschehen wäre. Dieser Herr B. hat die Gelegenheit gehabt, unserer Gemeinde einmal wirklich zum Bewußtsein zu bringen, worum es sich bei katholischer Aktion eigentlich handelt, – er hat Gelegenheit gehabt, diesen Bürgern einmal zu sagen, was eigentlich ein "Kreis aktiver Katholiken" ist, – – u. es muß gesagt werden, daß dieser nette Herr B. diese Gelegenheit leider verpaßt hat, weil er den Mut dazu nicht aufbrachte.

     Den Bürgern hat der Vortrag sehr gut gefallen. Alle waren in ihrem religiösen Bewußtsein gehoben, u. doch hat es ihnen nicht wehe getan, u. Konsequenzen brauchten sie auch nicht zu ziehen, denn jeder war überzeugt von sich, ein vorzüglicher Katholik zu sein. Das Wichtige, was der Vortragende zu sagen hatte, hat er nur sehr zaghaft angedeutet oder überhaupt verschwiegen, – u. was einer verschweigt, das braucht man ja nicht zu hören. So war man sehr voll des Beifalls u. auch Herr Faensen war hoch befriedigt, daß nichts gesagt worden war, was im Leben eines Handelsvertreters störend u. lästig sein konnte. Alles das hatte er ja auch schon irgend wann einmal gedacht oder in der Märk. Volkszeitung gelesen

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1935-03-13. , 1935, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1935-03-15_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2024)