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Seite:HansBrassTagebuch 1935-03-27 001.jpg

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Mittwoch, den 27. März 1935.     

     Der englische Außenminister Simon, der mit dem englischen Lordsiegelbewahrer Eden zwei Tage hier in Berlin war, um mit unserer Regierung zu konferieren, ist abgereist. Die Regierung gibt über die Konferenz ein Kommuniqué heraus, in dem zu lesen ist, daß die Unterhaltungen in „offenster u. freundschaftlichster“ Form stattgefunden hätten. – Das ist bei solchen Konferenzen bekanntlich immer so. – Ferner wird gesagt, daß die Unterhaltung zu einer „vollständigen Klarstellung der beiderseitigen Auffassungen geführt“ habe. – Nun, – wenn man „offen u. freundschaftlich“ verhandelt, dann ist eine solche Klarstellung ja die notwendige Folge. – Ferner wurde festgestellt, „daß beide Regierungen mit ihrer Politik das Ziel verfolgen, den Frieden Europas durch Förderung der internationalen Zusammenarbeit zu sichern u. zu festigen“. – – Auch dieses haben die Politiker beider Völker bei allen möglichen Gelegenheiten stets mit Begeisterung behauptet, – es ist also nichts Neues. – Falls also nichts Anderes noch in der Konferenz erreicht worden sein sollte, dann ist ihr Ergebnis äußerst mager. –

     Dagegen bringt die Märk. Volks-Zeitung gleichzeitig einen Leitartikel: „Wie die anderen weiterrüsten“. Es handelt sich diesmal um die Rüstung von Belgien u. Tschechoslowakei. – Es wird daran erinnert, daß der Gouverneur von Belgisch-Luxemburg im September 1934 gesagt haben soll: „Man soll auf der anderen Seite des Rheins (also in Deutschland) wissen, daß wir entschlossen sind, jeden Fußbreit unseres Landes zu verteidigen“. – Ein solcher Ausspruch hat doch nur Sinn, wenn man fürchtet, angegriffen zu werden. Belgien muß also diese Furcht haben, obwohl Hitler immer wieder seine Friedensliebe versichert. –

     Ferner heißt es in dem Leitartikel, daß Belgien „besonders im letzten Jahre“ – also 1934, – stark aufgerüstet habe. – Also wiederum, seitdem unsere Regierung ihren Friedenswillen öffentlich beteuert hat. – Merkwürdige Wirkung! – Im Jahre 1933 machte der Heeresetat in Belgien 10% des Gesamtetats aus, im Jahre 1934 aber 17%.

     Die Friedensreden Hitlers haben in der Tschechoslowakei aber noch viel größere Furcht hervorgerufen. Dort stieg der Heeresetat von 23% auf 34%. – In der Tschechoslowakei liegen die berühmten Skoda-Werke, die zu den größten europäischen Kriegsmittel=Lieferanten gehören. Deren Anteil am Welthandel mit Kriegsmaterial betrug 1933 insgesamt 14 Millionen. Er stieg 1934 auf 37 Millionen Die Ausfuhr von Kriegsgerät aus der Tschechoslowakei hat sich im Jahre 1934 verdreifacht gegenüber 1933.

     Die Märk. Volkszeitung bemerkt dazu: „Wir glauben wohl, grade den für die Tschechoslowakei angeführten Tatsachen nichts hinzufügen zu müssen, um die unwürdige Lage der deutschen Nation, in der sie sich bisher befand, zu kennzeichnen. Es ist geradezu ein Hohn auf Wahrheit u. Gerechtigkeit wenn man in diesen Tagen Deutschland einseitigen Bruch der Abrüstungsbestimmungen vorwirft.“

     Es ist ja denkbar, daß dieses mein Tagebuch im Jahre 3935 von einem asiatischen Professor der Altertumskunde bei Ausgrabungen unter dem Schutt Europas gefunden werden wird. Es wird ihn dann interessieren, einen autentischen Bericht über die Vorgänge im Europa des Jahres 1935 zu erhalten. Dieser Bericht lautet folgendermaßen:

     In den Jahren 1914 – 1918 tobte in Europa ein großer Krieg. In diesem Kriege wurde Deutschland besiegt u. die Feinde nahmen ihm alle Waffen ab, sodaß Deutschland vollständig wehrlos war. Eines Tages erstand dem deutschen Volke aber ein großer Held, u. dieser Held war ein Held des Friedens, denn er versicherte allen anderen europäischen Staaten nur immer, daß er die anderen Staaten nicht angreifen wolle. Je öfter die anderen Staaten diese Friedensbotschaften hörten, um so größere Furcht bekamen sie vor diesem Helden u. dem deutschen Volke u. sie fingen fieberhaft an, sich zum Kriege zu rüsten. Trotzdem fuhr der deutsche Held fort, seine Friedensliebe zu versichern, – denn, sagte er, – wir können ja garkeinen Krieg führen, weil wir garkeine Waffen u. keine Soldaten haben. Aber je mehr er das sagte, um so größere Furcht bekamen

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1935-03-27. , 1935, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1935-03-27_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2024)