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Seite:HansBrassTagebuch 1935-09-17 003.jpg

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Weintraube u. einem Gruß von Schw. Assistentin u. der Versicherung, daß letztere noch zu mir kommen würde. Ich wartete das aber nicht ab sondern machte mich um 4 Uhr auf den Weg zum S-Bahnhof Warschauerstraße, um nach Biesdorf zu fahren, wo ich bald nach 5 Uhr eintraf.

     Hier öffnete mir die nette, freundliche Schwester Pförtnerin, die ich nun schon gut kenne u. die mich auch trotz des Bartes wiedererkannte. Ich bekam diesmal Zimmer 28 in der ersten Etage, schräg gegenüber meinem vorjährigen Zimmer. Ich richtete das Notwendige her, ging dann in die Kapelle, besuchte alle lieben Altäre besonders freute ich mich wieder über den sehr lieblichen Marien-Altar mit seinen künstlerisch guten, mittelalterlichen Figuren. Dann ging ich in den Park, da nach einem regnerischen Vormittag das Wetter schön geworden war. Im Park ist ein Kreuzweg aufgestellt worden. Man hat lauter kleine Kapellchen aus Backsteinen errichtet, wie sie am Rhein zuweilen sind, d.h. es sind vierkantige, gemauerte Säulchen, auf denen ein Kapellenschrein steht, der die jeweilige Stationsdarstellung enthält. Diese Darstellungen sind eine Stiftung von irgend wem; aber sie sind übler, geschmackloser Fabrik=Kitsch. Das ist nun wirklich sehr schade.

Aber sonst freute ich mich wieder über den prächtigen Park mit seinen wundervollen Bäumen u. seiner Ruhe. Es war warm genug, sodaß ich lange auf einer Bank am Teich sitzen konnte, fast bis zur Dunkelheit. –

     Es sind diesmal nur neun Herren da. Zwei davon waren vor einem Jahre auch schon da u. wir begrüßten uns freundschaftlich. Die übrigen Herren sind nette, sympatische Herren.

     Exerzitienmeister ist Pater Prinz Georg von Sachsen. Vor dem Abendessen kam dieser herein, begrüßte jeden u. stellte sich vor: „Pater Georg“. – Nach dem Essen war eine Segens=Andacht u. anschließend daran eine einleitende Ansprache.

     P. Georg ist ein vornehmer Herr, dem man den hohen Aristokraten ansieht, doch wird dieser Eindruck gemildert durch einen starken sächsischen Tonfall beim Sprechen wodurch sein Vortrag etwas Gemütliches erhält. Diese Gemütlichkeit wiederum wird reguliert durch ein äußerst diszipliniertes Wesen, welches im ersten Eindruck direkt störend ist. Sein Gesicht ist meist gespannt, anfangs erschien es mir fast verkniffen; aber als er sich dann warm gesprochen hatte, was ziemlich rasch der Fall war, wirkte diese Disziplin ungemein fesselnd. Dieser Mann hat eine Eindringlichkeit des Sprechens, die zwingend ist.

     Er besprach kurz die Tagesordnung u. beleuchtete dann den Zweck der Exerzitien. Dieser besteht nicht darin, in den Exerzitien etwas Neues zu lernen oder sonst wissenschaftliche Früchte davon zutragen, sondern der Zweck besteht darin, schlechthin besser zu werden.

     Von dem, was P. Georg sagte, war ich innerlich stark berührt u. ich erwarte von diesen Tagen viel. –

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1935-09-17. , 1935, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1935-09-17_003.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2024)