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Seite:HansBrassTagebuch 1935-10-19 001.jpg

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nicht erst einer besonderen Anstrengung u. Selbstüberwindung, um sich mit Sündern, Zöllnern, Armen u. Elenden, mit Dieben und Räubern an einen Tisch zu setzen, – nicht nur dies, – sondern mit ihnen sogar die Art des Sterbens, den Verbrechertod am Kreuze, zu teilen. –

     Nachfolge Christi: Das heißt, sich mit seinen Brüdern in eine Linie stellen durch die Tat, – nicht durch schöne Worte u. Gefühle. Tu deine Feinheit u. Vornehmheit, tu dein Gebildetsein, deine Intelligenz ab von dir u. stell dich in eine Linie mit der kleinsten u. letzten, frömmelnden Betschwester u. bitte mit ihr gemeinsam knieend den Heiland um die Gnade Seines Lebensstromes. – Mit solcher Haltung bildest du wahrhaft das Kreuz Christi nach. Wurzelnd in der Erde, berührt dein Geist Gott im Himmel, u. deine ausgebreiteten Arme umschließen die Brüder u. Schwestern der ganzen Welt! So wirst du von dieser schrecklichen Ichsucht, der Ursache deines geistigen Hochmutes, befreit werden, – so nimmst du das Kreuz Christi auf dich.

     Dieses ganze Kritisieren der Formen der Frömmigkeit bei den andern, – selbst wenn dieses Kritisieren scheinbar einem frommen Eifer für Gott entspringt, – ist es nicht Ichsucht, ist es nicht, als ob den Teufel da hinter der Ecke des Beichtstuhles stünde u. leise kicherte? – Wir müssen viel wachsamer sein gegen den Teufel, der moderne Teufel versteht es, sich selbst noch in deinen Gebeten u. frommen Gefühlen zu verbergen.

     Huber sagt an einer Stelle seines Buches: Weisheit des Kreuzes: „Das Reich Gottes besteht nicht in Worten, sondern in Kraft“. Und wirklich: Worte verursachen Streit. Aber die Kraft, die alle Gegensätze des sozialen Klassenunterschiedes, der Intelligenz, – ja selbst der Moral, – überwindet u. die sich in eine Linie mit Brüdern u. Schwestern stellt, – diese Kraft verbindet u. eint selbst die größten Gegensätze. Die Quelle dieser Kraft aber ist Armut, Demut, Geduld u. Liebe!

Sonnabend, den 19. Oktober 1935.     

     Schon seit längerer Zeit ist es schwer, Butter zu bekommen, aber schließlich konnte ich doch immer noch zum Sonntag ein Viertelpfund irgendwo ergattern. Heute früh aber gibt es überhaupt keine Butter mehr. Wie hätten wohl die Nationalsozialisten früher von der Unfähigkeit einer Regierung geredet, wenn das einer anderen Regierung passiert wäre. Nicht von Unfähigkeit, sondern von Bankrott hätte man geredet. Und dieses Wort trifft ja wohl auch zu! Es handelt sich doch einfach nur darum, daß das Reich kein Geld hat, um im Auslande Butter zu kaufen. – Da es auch nur wenige Schweine gibt, so kann man auch kein Schweineschmalz kaufen. Es bleibt also nur Margarine.

     In der „Deutschen Zukunft“ lese ich Presse-Stimmen des Auslandes zum Kriege. Es handelt sich jetzt hauptsächlich um die Sanktionen, die der Völkerbund gegen Italien auf Grund seiner Satzungen anwenden muß. Man hat in diesem Sinne die Waffenausfuhr nach Italien verboten u. den Kredit gesperrt, – doch war letzteres wohl so wie so nicht vorhanden. Und da Oesterreich u. Ungarn sich an den Sanktionen nicht beteiligen wollen, so sind Italiens Grenzen für eine illegale Waffeneinfuhr über Oesterreich offen. Außerdem wird diese Waffensperre Italien nicht sehr treffen. Aber auch die sonstige Ausfuhr von Waren nach Italien ist gesperrt, – es ist also eine Art Blockade, die aber sicher nicht sehr wirksam sein wird, da sie nicht vollständig ist. Außerdem schädigen sich durch diese wirtschaftlichen Sanktionen andere Länder, die eine erhebliche Ausfuhr nach Italien haben, selbst sehr, woraus zu schließen ist, daß die Begeisterung dieser Länder für Sanktionen gering sein wird.

     Aber man geht nun weiter. Man sagt, daß, wenn diese Sanktionen nicht genügen, man kriegerische Sanktionen verhängen muss. Dieses würde dann sofort den Krieg aller gegen alle bedeuten.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1935-10-19. , 1935, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1935-10-19_001.jpg&oldid=- (Version vom 6.10.2024)