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Seite:HansBrassTagebuch 1935-11-05 001.jpg

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tun konnte. –

     Am Sonnabend habe ich angefangen, den Holzstock weiter zu schneiden. Ich glaubte schon, ihn dadurch ganz verdorben zu haben, aber heute habe ich den ganzen Tag daran gearbeitet u. der letzte Probedruck, den ich gegen Abend machte, ist sehr gut. Morgen werde ich noch einige Kleinigkeiten verbessern u. dann gleich drucken. Das Blatt ist jetzt sehr viel besser, als vorher. –

     Heute Nacht habe ich Anbetung von 12 – 3 Uhr. Gestern Nacht schlief ich fast nicht u. bin jetzt sehr müde. Ich gehe um 7 Uhr ins Bett, um bis 12 Uhr etwas Schlaf nachgeholt zu haben. –

Dienstag, den 5. November 1935.     

     Heute früh besaß ich nicht die Energie, zur Frühmesse aufzustehen. Ich schlief bis 9 Uhr u. frühstückte dann. – Ich kann meine Trägheit wohl noch mit der Erkältung entschuldigen, die mir nach wie vor in den Gliedern steckt, jedoch ohne mich ernsthaft zu belästigen. Nur sind die Schleimhäute noch entzündet, der Hals ist noch nicht frei u. eine allgemeine Schlaffheit der Glieder lähmt mich.

     Als ich neulich bei Dr. Tetzlaff war, gab mir dieser ein Buch mit biographischen Essays von Luzian Pfleger: „Menschen Gottes“. Neben vielen „Menschen Gottes“, die mich nicht interessieren, ist dort von einem die Rede, von dessen Leben ich bisher niemals etwas hörte, das aber wegen seiner nahen, geistigen Verwandtschaft zu mir einen starken, – sehr starken – Eindruck auf mich macht.

     Es handelt sich um den Baron Charles de Foucauld, der von 1858 – 1910 gelebt hat u. vielleicht noch leben würde, wenn er nicht Wüstenräubern in die Hände gefallen wäre, die ihn ermordeten. Sein Leben ist so fesselnd u. für mich so vorbildlich, daß ich mir diese Erscheinung notieren muß.

     Charles de Foucauld ist am 15. September 1858 in Straßburg geboren, er würde also heute 77 Jahre sein. Sein Vater war höherer Forstbeamter. Als er fünf Jahre alt war, verlor er beide Eltern u. er wurde von seinem Großvater mütterlicherseits, Charles Gabriel de Motet, einem pensionierten Oberst, erzogen. Er besuchte zuerst das bischöfl. Kolleg St. Arbogast, dann das staatl. Lyzeum. Nach dem Kriege 1870–71 siedelte der Großvater nach Nancy über, wo der kleine Charles ebenfalls ein Lyzeum besuchte. Hier aber verlor er seinen Kinderglauben u. war er ein sehr schlechter Schüler.

     Er kam dann in die Jesuitenanstalt in der rue des Postes in Paris, um sich dort auf die Ecole polytechnique vorzubereiten, jedoch war er dermaßen faul u. gleichgültig, daß man ihn schließlich hinauswarf. Er kam deshalb in die Militärschule St. Cyr u. wurde Leutnant im 4. Husarenregiment zu Pont-à-Mousson. Er führte als solcher ein Leben, daß ihm die Zimmerwirtinnen kein Zimmer vermieten wollten. Im Jahre 1880 wurde sein Regiment als 4. Chasseurs d'Afrique nach Algerien verlegt.

     Charles de Foucauld lebte dort derart skandalös, daß es selbst für dortige Verhältnisse zu viel war. Er hatte sich eine Geliebte dorthin mitgebracht u. sein Regimentskommandeur verlangte eines Tages von ihm, diese wenigstens wieder nach Frankreich zurückzusenden. Es ist wohl typisch für diesen Mann, daß er sich weigerte, diesem Befehle nachzukommen, – nicht, weil er jenes Mädchen geliebt hätte, – sondern weil sein starrer Wille sich nicht unter den Befehl beugen wollte. Er nahm deshalb lieber den Abschied.

     Aber schon im nächsten Jahre, 1881, zog sein Regiment gegen einen aufständischen Marabut Bu Amama in den Kampf u. er, Charles de Foucauld, trat wieder in sein Regiment ein. Dieser Lebemann legte nun plötzlich beachtliche Tugenden an den Tag.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1935-11-05. , 1935, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1935-11-05_001.jpg&oldid=- (Version vom 6.10.2024)