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Seite:HansBrassTagebuch 1936-01-30 002.jpg

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einer einfachen Verteidigung unserer Grenzen hätte überdies unser kleines Heer völlig ausgereicht. Man sagt sich also mit Recht im Auslande, daß diese Macht Deutschlands doch irgend einen positiven Zweck haben muß u. man kann sich diesen Zweck nicht anders deuten, als daß damit im Weltkriege verlorenes Gebiet zurückgewonnen werden soll. Das aber bedeutet natürlich Krieg – u. vor nichts hat man so große Angst, wie davor. Deshalb kann Hitler noch so viel seine Friedensliebe überall versichern, – kein Mensch glaubt an die friedlichen Absichten dessen, der mit der Waffe droht.

     Was hat nun dieser Machtbesitz bisher bewirkt? Erstens hat alle Welt Angst u. rüstet sich. Aber Danzig, der Korridor u. Oberschlesien sind vorläufig noch unerreichbare Güter ebenso wie Eupen u. Malmedy. Der Versuch, Österreich zu schlucken, ist gescheitert, hat aber die nächstliegenden Absichten des Nationalsozialismus ins klare Licht gestellt. Man weiß nun Bescheid, – u. wenn Hitler kürzlich einer Jouralistin, einer ausländischen, – mit der Miene eines Biedermannes erklärt hat, daß die Anschlußfrage in Deutschland nicht interessiere, so erkennt das Ausland darin nur Hinterhältigkeit, u. mit Recht, – denn das kann ihm kein Mensch glauben. Furcht u. Misstrauen nach außen, das ist zunächst einmal der Erfolg dieser ersten drei Jahre. Man weiß, daß unsere Friedensliebe nur so lange dauern wird, bis ein Krieg Erfolg verspricht, – einmal wird u. muß er kommen. Und bis dahin wird man alles tun, um ihn zu verhindern, d.h. man wird gegen Deutschland sein. – Dieser Krieg aber wird kommen, weil er ganz einfach in der Ideologie des Nationalsozialismus begründet ist. Es fragt sich nur, wann dieser Krieg ausbrechen wird. Jeder Mensch in Europa weiß das, u. so ist das Leben jedes Menschen in Europa beherrscht von der Furcht u. von der Unsicherheit vor diesem drohenden Ereignis. Ein jeder lebt in dem Bewußtsein, daß Deutschland der Friedensbrecher sein wird, u. deshalb ist Deutschland gehaßt. – Furcht u. Haß, – das ist die Stellung, die Deutschland in Europa hat u. die es dem Nationalsozialismus zu danken hat. Vielleicht wird eine spätere Generation anders darüber denken. Vielleicht wird Deutschland aus diesem Kriege siegreich hervorgehen u. mit Waffengewalt all die geheimen nationalsozialistischen, außenpolitischen Träume verwirklichen, – dann wird es der Tyrann ganz Europas werden. Der Haß wird ins Ungemessene steigen, es wird eine furchtbare Rache geben, – das Ende Europas. – Oder Deutschland verliert den Krieg. – Wer mag wissen, was Gott in Seiner unerforschlichen Vorsehung beschlossen hat. –

     Welche Erfolge hat nun der Nationalsozialismus innenpolitisch? Man nennt da Vieles. Da ist zunächst die Reichseinheit, die Voraussetzung des Machtwillens ist u. die man nur von hier aus werten kann, – denn von wirklicher Einheit ist ja garkeine Rede. Und dann die neue Armee, die wiederum aus der Reichseinheit folgt. Die Rückgewinnung der Saar wäre so wie so auch ohne Nationalsozialismus erfolgt. Und dann die Wirtschaft, die man durch Gewaltmaßnahmen angekurbelt hat. Der Rückschlag, der daraus folgen muß, muß erst einmal abgewartet werden, noch hat er nicht eingesetzt, aber er muß ja kommen. Bis dahin sind die Deutschen untereinander mißtrauisch. Alle grüßen laut: „Heil Hitler“, – aber heimlich ballen sie die Faust in der Tasche. Selbst die Mitglieder der Partei untereinander sind voller Mißtrauen, so wie

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1936-01-30. , 1936, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1936-01-30_002.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2024)