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Seite:HansBrassTagebuch 1936-02-03 006.jpg

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mit diesem Problem auseinanderzusetzen u. bin zu dem Resultat gekommen, daß ich diese Aufgabe nicht zu lösen vermag, es sei denn Herr Frank verzichtete restlos auf seinen eigenen Ungeschmack u. ließe mir ganz freie Hand. Ich glaube zwar nicht, daß er dieses tun wird, aber ich muß wenigstens den Versuch machen. Zu diesem Zweck habe ich am Sonnabend vier kleine Bildchen zusammen gepackt, die ich vor einem Jahre noch in Friedenau gemalt habe u. habe ihm diese geschickt. Er mag daraus ein wenig erkennen, wie ich male. Das eine Bildchen stellt die Mutter Gottes mit dem Jesuskinde dar, das zweite die für die Sünden der Welt betende Ecclesia u. das dritte Christus als Weltenrichter mit dem Baume, der gute Früchte bringt u. mit dem dürren Baum u. mit dem Wolfe im Schafspelz. Das vierte Bildchen ist eine Skizze für ein Abendmahl, wie ich es mir denke. Dazu habe ich ihm folgenden, ausführlichen Brief geschrieben:

     Was nun das Abendmahl betrifft, so habe ich einige Studien u. Versuche gemacht, ohne bisher zu einem auch nur annähernd befriedigenden Resultat gekommen zu sein. Da dieser negative Erfolg neben meiner eigenen, künstlerischen Unzulänglichkeit auch in dem seinen Grund findet, was Sie mir über Ihre Wünsche sagten, so glaube ich, gut zu tun, wenn ich Ihnen einmal ganz ehrlich meine Anschauung über dieses Thema mitteile, ehe ich fruchtlos weiterarbeite.

     Sie sagten mir, daß ein Abendmahlsbild von Fügel Ihren besonderen Beifall fände. Ich bin deshalb (leider), in eine Kunsthandlung gegangen u. habe mir eine Reproduktion dieses Bildes gekauft. Es ist möglich daß Fügel mehrere Abendmahlsbilder gemalt hat, ich selbst interessiere mich nicht für ihn, kenne kaum etwas von ihm, u. besitze nun diese Reproduktion, von der ich einmal annehmen möchte, daß sie nicht das Bild ist, welches Sie meinen. Ich brauche dann nämlich nicht höflich zu sein in Rücksicht auf Sie, sondern kann frisch von der Leber weg sagen, was ich denke, wie es sich für einen Künstler von Gewissen geziemt.

     Das in Rede stehende Bild zeigt einen mit reicher Pracht ausgestatteten Konferenzaal eines internationalen Hotels. Wände u. Fußboden aus kostbarem Marmor, zwischen imponierenden Säulen blickt man hindurch in eine sammetblaue Sommernacht. Der Ort muß irgendwo an der Riviera im Zentrum des Fremdenverkehrs liegen.

     Von der Decke dieses Saales hängt eine prachtvolle Krone herab, eine nach unten offene Bronzeschale, die vielfach durchbrochen u. mit farbigen Gläsern geziert ist. Aus dieser Bronzeschale flutet eine reiche Wucht von Licht nach unten über diese Abendmahlsscene, die von seltsamen Leuten dargestellt wird. Ich sage: „dargestellt“, denn es müssen Akteure sein, die dort ein lebendes Bild stellen, keinesfalls kann es sich um den göttlichen Heiland selbst u. seine zwölf Jünger handeln, – die Pracht des Saales u. die Lichtkrone beweisen das. Nach unten flutendes Licht ist technisch nur bei elektrischer Beleuchtung möglich, u. diese hat es damals nicht gegeben.

     Diese Akteure nun sitzen oder bewegen sich um eine mit weißem Linnen gedeckte Tafel herum auf Polstersesseln aus rotem Plüsch. Alle sind außerordentlich erregt. Es scheint, als ob jener, der in der Mitte den Heiland darstellt, soeben eine Mitteilung von weittragender politischer u. wirtschaftlicher Bedeutung gemacht hat, denn die Erregung der Leute ist

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Hans Brass: TBHB 1936-02-03. , 1936, Seite 006. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1936-02-03_006.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2024)