Seite:HansBrassTagebuch 1937-09-22 002.jpg

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Wohnung schlafen.

     Ich ging sofort daran, meine Sachen in den mitgebrachten Koffern u. im Wäschesack zu verpacken, war aber so verstimmt, daß ich abends nicht einmal ins Gastzimmer hinunter ging um zu Essen, sondern mich um 9 Uhr ins Bett legte. Im Piussaal war wieder eine jener zahlreichen Veranstaltungen mit Reden, Geschrei u. Klavierspiel u. Gesang untermischt mit Ave Maria-Läuten u. Harmoniumspiel u. frommen Gesängen aus der Kapelle, wie so dort so üblich ist u. das alles ich zwei Jahre lang ertragen habe. Es war jener Betrieb an lärmender Frömmigkeit u. Gebetsgeplapper, Kniebeugen, Gesang u. Gedudel, der mir unsäglich auf die Nerven fiel u. vor dem ich mich möglichst rasch in den Schlaf flüchtete.

     Am nächsten Morgen – es war das Fest der 7 Schmerzen Mariä ging es weiter. Ich konnte mich nicht entschließen, in die Kapelle zu gehen, sondern wartete die stille zweite Messe ab. Indessen hörte ich bis zu mir herauf das Choral-Hochamt das P. Petrus hielt. Erst dann ging ich hinunter. Pfarrer Burg, der immer noch nicht gestorben ist, wie ich vermutet hatte, las die stille Messe. –

     Nachher ging ich in die Gaststube zum Frühstück, wo ich Rektor Drüding traf, der sich zu mir setzte u. dem ich alles erzählte, sowohl daß ich fort ginge, wie auch von dem Empfang, den man mir am Abend vorher bereitet hatte. Ich ging dann wieder in meine Wohnung, packte meine letzten Sachen ein, traf den alten russischen Herrn, der in der ersten Etage immer noch wohnt u. mit dem ich niemals in persönliche Beziehung getreten bin, der aber trotzdem sehr herzlich und aufrichtig bedauerte, daß ich fortgehen wollte. Ich traf auch eine der Schwestern u. trug ihr einen Gruß an Schw. Christine auf – diese einzige Person in diesem ganzen Hause, die auf mich durch ihre wahrhaft demütige Frömmigkeit einen tiefen Eindruck gemacht hat. Möge sie niemals der Gnade Gottes entbehren. –

     Ziemlich pünktlich kam dann Fritz. Herr Schellenberg, der in der Etage unter mir wohnte, war sehr hilfsbereit beim Runterschleppen meiner Sachen. Auch Br. Benedikt war zugegen u. brachte mir einen Mann aus dem Johanneshause zum Helfen. Herr Schellenberg, – der nicht ahnte, daß er damit aus der Schule plauderte, – beklagte es sehr, daß ich fortginge. Er leidet an Schlaflosigkeit u. ich habe darauf stets große Rücksicht genommen, indem ich Nachts, wenn ich zur Anbetung ging oder dorther kam, so geräuschlos wie möglich war, wofür er sehr dankbar war. Nun erzählte er mir, daß „der Herr, welcher in meiner Abwesenheit in meiner Wohnung gewohnt hat“, nicht so rücksichtsvoll gewesen wäre, wie ich. Als er das sagte, stand Br. Benedikt dabei u. war sehr verlegen. So erfuhr ich also, daß man ganz gegen das Versprechen jemanden

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Hans Brass: TBHB 1937-09-22. , 1937, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1937-09-22_002.jpg&oldid=- (Version vom 24.4.2024)