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Freitag, 1. Januar 1943.     

     Gestern am Spätnachmittag Besuch von Prof. Heydenreich u. Frau. Er machte einen sehr kranken u. erschöpften Eindruck u. sprach fast nichts. Seine Frau quält sich sehr mit der Beschaffung von Lebensmitteln, wobei ihr Martha behülflich ist.

     Abends einfaches Abendbrot. Um 8 Uhr sprach Dr. Goebbels zum Volk eine halbe Stunde lang u. wußte nichts zu sagen außer Redensarten, die er mit theatralisch beschwingter Stimme vortrug. Der langen Rede armseliger Sinn war, daß wir „durchhalten“ müßten – genau wie im vergangenen Weltkriege. Ich bin gewiß, daß es in diesem Jahre zum großen Zusammenbruch kommen wird. Bei uns wird immer so viel geredet vom Rechte der „jungen Völker“, welches siegen müsse, dabei vergessen die Herren ganz, daß es in diesem Kriege nur ein Volk gibt, das auf diese Bezeichnung Anspruch erheben kann: Amerika.

     Gewiß ist auch mir Amerika unsympathisch, so wie einem eine Gesellschaft von Primanern oder Studenten im ersten Semester sehr unsympathisch sein kann in ihrer Ueberheblichkeit u. lärmenden Großmannssucht; aber Amerika ist das Kind Europas, – u. es wird nun heimkehren. Es wird Besitz nehmen von seiner Wiege u. seiner alten Heimat u. wird wahrscheinlich ein Museum daraus machen. Immerhin wird es ein christliches Museum werden – u. das genügt.

     Eben läutet Dr. Krappmann an u. bittet uns am Sonntag Nachmittag zum Kaffee. –

     Der Führer hat wie alljährlich eine Neujahrs-Proklamation erlassen. Er spricht davon, daß ein schwerer Winter uns bevorsteht. Im Jahre 1941 sagte er, daß die große Entscheidung zu unseren Gunsten bevorstehe. Im Jahre 1942 rief er Gott an, er möge uns den Sieg geben, und 1943 spricht er von den schweren Ereignissen, die kommen werden. Dabei wird das Volk weiter betrogen. Obgleich alle Welt davon spricht, daß unsere Armee bei Stalingrad seit Wochen eingeschlossen ist, wird darüber nie ein Wort gesagt. Zwar ist dann zugegeben worden, daß unsere Stellungen am Don durchbrochen sind, aber es ist bagatellisiert worden. Ueber den Ernst der Lage erfährt man nichts. Gestern hieß es, daß die Besatzung von Welikije Luki die Angriffe, „nach allen Seiten hin“ abgewiesen hätte, woraus man entnehmen kann, daß dieser Ort eingeschlossen ist. Man kann gespannt sein, wann der Fall dieses Ortes zugegeben werden wird. Es sieht wirklich sehr schlimm aus. Das Gottesgericht naht.

Sonntag, den 3. Januar 1943.     

     Gestern schneite es den ganzen Tag bei Windstille. Der Schnee verwandelte das Land in eine Zauberlandschaft. In der Nacht kam Wind auf u. wieder Tauwetter, die Wege sind Grundlos. Wir sollten heute bei Dr. Krappmann zum Kaffee sein, werden nun aber absagen, weil der Weg zu schwierig ist. – Der Heeresbericht von gestern Abend wußte

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Hans Brass: TBHB 1943-01-01. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-01-01_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2024)