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spüren, oder wenn sie es tun, dann fühlt man deutlich den Hochmut des gottbegnadeten Kirchenmannes gegenüber dem einfachen „Volk“. Sie spüren den Zwiespalt schon, aber sie geben sich nicht damit ab, weil sie darin etwas Minderwertiges sehen, anstatt die Tragik darin zu erkennen. Es sind „untragische Theologen“ – trotz Verfolgung u. Konzentrationslager, – wenn sie Tragik empfinden, so denken sie dabei nur an dieses vermeintliche Unrecht, das man ihnen selbst antut. Daß eine tiefere Tragik in der Fessel des Dogmas liegt, das wollen sie nicht sehen. Sie sehen nicht die bedrängten Christenseelen unserer Zeit, seufzen aber zugleich über Gleichgültigkeit u. Entchristlichung. Pascoaes hat das in einem Brief an einen Jesuiten so ausgedrückt: „Wir sehen beide dasselbe Kreuz, Sie von den Höhen einer gnadenreichen Gewißheit, u. ich, nackt u. bloß, aus den Schächten meines brennenden Zweifels, – u. bleibt doch Christi Kreuz ...!“

     Hätten wir doch unter unseren Theologen mehr Vertreter einer solchen „tragischen Theologie“, – es würde besser um uns Christen stehen. –

Sonnabend, 16. Januar 1943.     

Vorwort zu Hieronymus: „So verhüllt Vergessenheit den Vormorgen unseres Daseins, der schemenhaft u. trüglich ist wie sein Ende. Wiege u. Grab sind nicht für die Augen dessen, der selbst darin liegt.“ – In der Tat ist der Gedanke, was ich war, ehe ich geboren ward, für mich noch viel befremdender als der, was ich sein werde, nachdem ich gestorben bin. Der Gedanke, daß ich irgendwann einmal angefangen habe, ein Mensch zu sein, erfüllt mich mit größter Verwunderung. Wir kennen nichts anderes als dieses menschliche Leben u. da man sich nichts vorstellen kann, was man nicht irgendwie kennt, so können wir uns vom Tode auch keine Vorstellung machen. Was man nicht denken kann, das gibt es nicht: „Das Leben glaubt nicht an den Tod, u. woran man nicht glaubt, das besteht nicht. .... Die Idee des Todes ist lediglich ein Erzeugnis unserer Vernunft. Der Tod ist eine Idee, weiter nichts.“ –

     „Aber der gemeine Mensch – Klaue u. Wurzel – zieht es vor, in die Erde einzudringen u. im Schlamm zu wühlen. Mit welch einer teuflischen Freude beschmutzt u. zerrupft er die weißen Schwingen, die sich von Zeit zu Zeit in seinem Herzen entfalten!“ –

Sonntag, 17. Januar 1943.     

Irak hat uns den Krieg erklärt! -

Inzwischen sind wir im Osten auf der ganzen Linie von Nord bis Süd immer noch in der Verteidigung gegen nicht nachlassende Angriffe der Russen. Nach unseren Berichten werden diese Angriffe stets unter sehr hohen Verlusten der Russen abgeschlagen, die dabei besonders ungeheuer hohe Panzerverluste haben. Wo kommen aber diese ungeheuer vielen Panzer her – nachdem wir doch schon so unzählig viele davon erbeutet u. vernichtet haben? Im Herbst 1941 sagte der Führer: von solchen Verlusten kann sich keine Armee mehr erholen! – Die Russen scheinen

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Hans Brass: TBHB 1943-01-16. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-01-10_003.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2024)