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umgehen, daß wir es in einen Schatten verwandeln, einfach in das Nichtvorhandensein des Guten, gemäß der Dialektik Augustins. Das Böse ist die Schöpfung selbst, hinsichtlich der Artbeschaffenheit vom Schöpfer getrennt. Ohne diesen nach unten weisenden Abstand würde sich der Urheber in nichts von seinem Werk unterscheiden. Immer fließt das Wasser in einer von der Quelle wegführenden Richtung, – im Entspringen fällt es. Diese Beschränkung der Allmacht Gottes ist das Kreuz. Das Böse erscheint in der Kreatur als ein Stigma ihrer Minderwertigkeit, oder sagen wir ihrer Bedingtheit; u. in ihr, der Kreatur, erscheint das religiöse Gefühl als Kennmal des Schöpfers, als der geheimnisvolle Punkt, worin Geschöpf u. Schöpfer eins werden. ....

     Abends:

     Die Bombe, die wir gestern abend hörten u. die unser Haus ganz erheblich erzittern ließ, ist in Ribnitz herunter gegangen. Das Flugzeug scheint von der Rostocker Flak angeschossen gewesen zu sein u. mußte notlanden, vorher warf es seine Bombe ab, u. zwar über dem Wasser des Bodden. Die Besatzung, vier Mann, sprang mit Fallschirm ab u. landete wohlbehalten bei Damgarten, wo sie gefangen genommen wurde. Obwohl die Bombe ins Wasser gefallen ist, spricht man doch davon, daß es acht Tote gegeben hat u. zahllose zertrümmerte Fensterscheiben. – So erzählte mir Erichson, der Nachmittags mit Frau Ristow hier war, um sich zu verabschieden. Er war vierzehn Tage hier, doch haben wir ihn in dieser Zeit nicht gesehen. – Martha liegt mit Kopfschmerzen zu Bett, sie war gestern Abend schon nicht wohl, hoffentlich wird es nicht schlimm. – Von Ruth, Marthas Tochter, ein langer Brief. Sie versucht wohl, einzulenken. Es soll mir recht sein, aber ich kann mich dafür nicht mehr interessieren.

Dienstag, 19. Januar 1943.     

     Martha geht's noch nicht besser. Ich bin in Sorge, weil es nicht dieselben Kopfschmerzen sind, unter denen sie ja öfter zu leiden hat. Am Sonntag Abend, als die engl. Flieger über uns waren, fiel mir auf, daß ihr Gesicht sehr rot war. Ich führte es auf die Nervenaufregung zurück. Wir gingen dann bald schlafen. Am Montag war anscheinend alles wieder gut, erst am Nachmittag nach Erichsons Besuch klagte sie wieder über Kopfweh. Ich schickte sie gleich wieder in's Bett. Heute früh blieb sie liegen. Sie sieht schlecht aus u. klagt über ein Pochen im Kopf, im Scheitel. Ich habe ihr kalte, nasse Socken angezogen, darüber Wollsocken, früher hat das manchmal gut geholfen, denn es zieht das Blut vom Kopf ab.

     Vormittags an Marthas Vetter, Carl Ernst Wendt, Pastor in der Nähe von Stettin, geschrieben. Ich kenne ihn nicht, aber er hat uns vor einiger Zeit einen verspäteten, aber überaus sympathischen Brief zu unserer Verehelichung geschrieben. Er muß ein sehr frommer Mann sein, der ein christliches Hauswesen führt nach Art der ersten Reformatoren.

     Nachts hatte ich einen Traum, der mich so bewegte, daß ich davon erwachte. Ich war, wie ich es oft träume, in einer großen, fremden Stadt

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Hans Brass: TBHB 1943-01-18. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-01-19_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2024)