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Offensive wahrscheinlich schlagartig u. mit großer Gewalt eröffnet werden u. daß diese Erfolg haben wird, daran kann kein vernünftiger Mensch zweifeln. Zweifelhaft ist freilich, von wo aus der Versuch gemacht werden wird, nach Europa herüber zu kommen. Südfrankreich wird dafür kaum in Frage kommen, vielleicht nicht einmal Italien, sondern der Balkan, von wo aus dann unsere ganze Ostfront vom Rücken her gefaßt werden kann, vor allem Rumänien. Mit dem Verlust der dortigen Oelfelder wäre der Krieg für uns absolut verloren. Ein solcher Plan würde nicht der Genialität ermangeln.

Mittwoch, 20. Januar 1943.     

     Martha wieder gesund. – Erichson erzählte vorgestern eine Begebenheit, die fast wie eine der Schauergeschichten anmutete, mit denen der Prof. Dubovy, Lehrer für Apologetik, im Christkönigshaus seinen Schülern gruselig machte.

     Im Nachbardorf Niehagen gab es vor dem Kriege einen Mann, der sich mit Haut u. Haaren dem Nationalsozialismus verschrieben hatte, sodaß er der Ortsgruppenleiter des Dorfes wurde. Konsequenterweise trat er auch aus der Kirche aus u. er veranlaßte auch seine Frau dazu, die kritiklos ihrem herrlichen Mann folgte, wie jener dem Führer, obwohl sie in der letzten u. heimlichsten Falte ihrer Seele doch noch an Gott hing. – Nun war der alljährliche Parteitag in Nürnberg, u. dieser Ortsgruppenleiter war vom Ehrgeiz besessen, dabei zu sein. Er fuhr hin, holte sich in der nächtlichen Kühle des Zeltes, in dem diese deutschen u. kriegerischen Männer schliefen, eine böse Lungenentzündung und wenige Tage nach seiner Rückkehr nach Niehagen war er nur noch ein toter Held. –

     Die bestürzte Witwe lief nun schleunigst zum Pastor. Es war Pastor Hurtzig, ein noch junger u. charakterfester Mann, der inzwischen vor Petersburg gefallen ist. Sie brach in lautes Klagen aus u. bat den Pastor, ihren Mann christlich zu begraben. Der Pastor aber weigerte sich u. wies mit Recht darauf hin, daß er sich strafbar mache, wenn er jemanden christlich beerdige, der dies ausdrücklich im Leben nicht gewünscht habe. Die Frau weinte, jammerte u. schrie, der Pastor blieb aber fest. Der Mann wurde nationalsozialistisch begraben u. die Parteigenossen der Umgegend gaben ihm das letzte, kümmerliche Geleit. – Von diesem Tage an wurde die Witwe sonderbar, sie mußte ins Irrenhaus gebracht werden, wo sie kläglich gestorben ist. – Herr Prof. Dubovy würde glücklich sein, wenn er diese Geschichte erführe.

Sonntag, 24. Januar 1943.     

     Die Lage im Osten verschlimmert sich von Tag zu Tag. Außerdem hat inzwischen auch Chile den Krieg erklärt. Die Türkei ist noch ruhig, ihr Ministerpräsident hat sogar erklärt, daß sich die Türken gegen jeden Angreifer wehren würden, – aber türkische Journalisten

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Hans Brass: TBHB 1943-01-19. , 1943, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-01-20_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2024)