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hier ein Sommerhaus besitzt u. sich mit seiner Familie hier viel aufhält. Zum Glück ist er mit seiner Schwester ganz zerfallen, sodaß eine verwandtschaftliche Beziehung zu dieser Familie von uns vermieden werden kann. Margrets Vater lebt als freier Schriftsteller u. hat als solcher einen gewissen Namen. –

     Die Russen haben in dieser Woche Rostow u. Woroschilowgrad zurückerobert u. heute eroberten sie Charkow. Dieser letztere Erfolg ist gefährlich. – Von Stalingrad hat es gehießen, daß das Opfer der 6. Armee, die dort vernichtet wurde, in Kauf genommen werden mußte, weil es nur dadurch gelungen sei, den weiteren Vormarsch aufzuhalten. Er ist aber nicht aufgehalten worden. – Also war das Opfer umsonst! Jetzt wird weiter geopfert. Bei Stalingrad war es die 6. Armee, jetzt ist es der Mittelstand der Heimat, dem man die Geschäfte u. die Werkstätten schließt, denen man die Arbeitsräume wegnimmt, denen man die Schreibmaschinen u. Büromöbel fortnimmt, u. die man in Fabriken steckt, wo sie ungeeignet sind zur Arbeit. Es ist ein toller Wahnsinn! Ob unser Geschäft geschlossen wird, wissen wir immer noch nicht. Wahrscheinlich haben die Arbeitsämter so viel zu tun mit dieser unsinnigen Erfassung, daß sie dabei zu unserem entlegenen Dorf garnicht kommen.

     Bemerkenswert ist, daß bei der großen Umbildung des italienischen Kabinetts Mussolini selbst das Außenministerium übernommen hat, aber sich als Unterstaatssekretär den früheren italienischen Gesandten in London gewählt hat. Dazu Graf Ciano als Botschafter beim Vatikan! Diese Kombination wird dadurch noch deutlicher.

     Hitler hat in diesem Jahre schon fünf Feldmarschälle ernannt. Wo sind bloß die vielen Feldmarschälle geblieben, die er schon nach dem Polenfeldzug ernannt hat? – Ein Gerücht, Hitler habe den Oberbefehl niedergelegt, ist dementiert worden, dafür hat Stalin einen neuen Feldmarschall ernannt, nämlich den General, der ihre jetzige Offensive führt.

Freitag den 19. Februar 1943.     

     Gestern Abend fand eine große Kundgebung im Berliner Sportpalast statt, auf der Dr. Goebbels redete. Die Veranstaltung wurde, wie das jetzt immer üblich ist, erst kurz vorher bekannt gegeben, teils, um eine Störung durch die Engländer zu vermeiden, teils wohl auch aus Angst vor Attentaten oder sonstigen Störungen. Dr. Goebbels redete zwei geschlagene Stunden. Seine Rede bestand aus zwei Teilen. Der erste Teil war eine sehr alarmierende Darstellung der Lage an der Ostfront mit einem kaum noch verhüllten Appell an die Engländer, doch endlich die Gefahr des Bolschewismus einzusehen, der an der Kanalfront nicht Halt machen würde. Dieser Teil war stark mit Hassausbrüchen gegen die Juden gewürzt. Dann schwenkte er plötzlich um u. versicherte, daß wir stark genug wären, die Ostfront zu halten, ja, daß wir im Frühjahr wieder zur Offensive übergehen würden, – u. zu diesem Zweck solle nun der totale Krieg noch totaler werden. Dieser zweite Teil stand wieder unter dem Motto

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Hans Brass: TBHB 1943-02-17. , 1943, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-02-19_001.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2024)