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sind u. gestern hieß es, daß beim Angriff auf Amsterdam mehr als 2000 Tote zu verzeichnen seien. Das sind Brutalitäten, die zum Himmel schreien.

     Hier im Dorf ist jetzt auch eine Luftschutzwache eingerichtet worden. In der Nacht vom 16. zum 17. April soll ich dafür Dienst tun. Es ist das ein großer Quatsch, denn ein Fliegeralarm ist bei uns ja völlig zwecklos, weil kein Mensch einen Keller hat, außer einigen Villen, die etwas höher liegen, wie die unsrige, – u. dieser Keller bietet fast keinen Schutz, vor allem nicht gegen Gas. Ein Alarm hat höchstens den Sinn, daß die Leute auf Brandbomben aufpassen; aber neben meinem Hause liegen, außer dem Geschäftshaus der Bunten Stube, das mit Stroh gedeckt ist u. aus einem großen Holzanbau besteht, noch zwei strohgedeckte Häuser, die im Winter unbewohnt sind. Es ist ganz unmöglich, auf diese Häuser auch noch mit aufzupassen u. wenn sie abbrennen, dann brennen wir bestimmt mit ab.

     Gestern sah ich in der DAZ. ein Bild Hitlers wie er dem Chef der italienischen Armee an der Ostfront das Ritterkreuz übergibt. Sehr auffallend ist sein schlechtes Aussehen, besonders die immer mehr zunehmende Krümmung seines Rückens. Das fiel um so mehr auf, weil der vor ihm stehende Italiener eine besonders große u. soldatische Figur hatte. Bei Hitler kann man schon von einer deutlich erkennbaren, beginnenden Rückgratverkrümmung sprechen. –

     Ich habe mich damit beschäftigt, für Fritzen's Hochzeit Gedichte zu machen. Ein Gedicht soll ein kleines Mädchen aufsagen, welches am Polterabend der Braut den Kranz u. den Schleier übergeben soll, – ein zweites sollen Trude Dade u. Kurti Spangenberg gemeinsam aufsagen, u. ein drittes enthält meine u. Martha's Glückwünsche u. ich werde es selbst vorlesen. Alle drei Gedichte sind sehr nett geworden, ich bin selbst darüber erstaunt, denn ich habe in meinem Leben noch nie dergleichen gemacht. –

     Abends lese ich Pfandl vor: Karl II. – Wir sind bald damit fertig. Vorher hatten wir Philipp II vom selben Verfasser gelesen. Der Niedergang dieses großen Reiches ist sehr erschütternd, besonders, da er sich vollzieht unter gradezu albern anmutenden Vorgängen in diesem Königshause u. in der Aristokratie dieses Landes. Wenn man diese Dinge liest, erkennt man die innere Fäulnis, an der das ganze, christliche Abendland anscheinend von Anfang an gelitten hat. Die furchtbaren Vorgänge beim Zusammenbruch Roms in der Völkerwanderung, die in dem Buche von Paskoaes: „Hieronymus“ spürbar werden, setzen sich in Spanien fort und wirken fort bis auf den heutigen Tag. Die Zustände in der kathol. Kirche die zur Reformation u. dann zum dreißigjährigen Kriege führten, sind genau dieselben, die unsere heutige Katastrophe herbeigeführt haben. Alles das läßt sich mühelos auf den einen einzigen Nenner bringen: Sünde! –

     In der gegenwärtigen Fastenzeit verwenden wir die Sonntag=Abende, um den Kreuzweg zu gehen, wobei uns ein Buch: „Der Kreuzweg“ von Reinhold Schneider, erschienen im Alsatia=Verlag in Kolmar, treffliche Dienste leistet. Ohne irgendwie politisch zu sein, ist dieser Kreuzweg doch ganz aus der Not der Gegenwart erfaßt. Schneider sagt im Vorwort: „Der Weg, den wir gegangen sind nach unserem eigenen eigensinnigen Willen, ist zu Ende: dies ist sein Ziel, seine von uns nicht gekannte Bestimmung gewesen, daß er auf den Kreuzweg des Herrn trifft. So hat es die Gnade gefügt.“ –

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Hans Brass: TBHB 1943-04-08. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-04-04_002.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2024)