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Seite:HansBrassTagebuch 1943-06-16 001.jpg

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Antrieb bei meiner sonntäglichen Ansprache, die diesmal besonders gut ausfiel. – Nachher langen Brief an Fritz geschrieben.

     Am Nachmittag war Prof. Heydenreich mit Frau hier. Dieser sehr kranke u. müde junge Mann enttäuscht jedesmal. Ich glaubte, daß er Interessantes aus Italien zu berichten haben würde, aber es war nichts. Offenbar ist er so müde u. kränklich, daß er nicht mehr ordentlich auf einem Stuhl sitzen kann. Von Zeit zu Zeit unterdrückt er ein Gähnen – oder er gähnt herzhaft los u. was er spricht, kommt gequält heraus. Es war eine langweilige Sache u. schade um den Nachmittag, obgleich sich Martha viel Mühe gegeben hatte, einen netten Kaffeetisch zu decken.

     Auch Lampedusa u. noch eine andere kleine Insel ist von den Amerikanern genommen worden. Gestern wurden Bremen, Kiel u. wieder Bochum bombardiert, drei Städte auf einmal.

Mittwoch, 16. Juni 1943.     

     Gestern Abend war Frau Smith bei uns. Sie wollte Anfang dieses Monats mit dem Konvertiten-Unterricht beginnen, doch scheint es da noch mannigfache Hindernisse wirtschaftlicher Natur zu geben. Sie hat zum Schein ihr Haus in Berlin vermietet u. hat sich hier polizeilich angemeldet, um der Verfügung zu entgehen, daß die Besitzer von Sommerhäusern in Badeorten sich nicht länger als drei Wochen in ihren Häusern aufhalten dürfen. Diese Verfügung, welche erlassen worden ist, um angeblich Ungerechtigkeiten gegen solche Menschen zu vermeiden, welche keine Sommerhäuser besitzen u. die ebenfalls sich nicht länger wie drei Wochen im Badeort aufhalten dürfen, stellt in der Tat einen unerhörten Eingriff in das Privateigentum dar u. erregt überall die größte Erbitterung. Im Falle Smith erklärt nun der Bürgermeister in Althagen, daß die Vermietung ihres Berliner Hauses nur eine Scheinaktion sei, zur Umgehung jener Verfügung, womit er natürlich Recht hat, besonders, nachdem Frau S. das Haus an ihren eigenen Mann vermietet haben will, von dem sie sonst getrennt lebt. Auf diese Weise sprach sie gestern zum ersten Male überhaupt von der Existenz dieses Mannes, der Filmregisseur sein soll. Da sie nicht gerichtlich geschieden ist, sagt der Bürgermeister mit Recht, daß die Frau ihren ständigen Wohnsitz dort habe, wo der Mann ihn hat, also Berlin u. nicht Althagen. Es ist nun also unklar, ob Frau S. überhaupt hier bleiben kann, jedenfalls wird sie Anfang Juli erst wieder nach Bln. fahren u. bis in den August hinein dort bleiben. Unter diesen Umständen habe ich ihr gesagt, es hätte keinen Zweck, mit dem Unterricht zu beginnen, ehe diese Frage geklärt wäre u. ich nicht die Sicherheit hätte, daß sie wirklich erst einmal eine längere Zeit hindurch dem Unterricht beiwohnen könnte. Jetzt zwei bis drei Unterrichtsstunden zu geben, dann eine wochenlange Pause machen, um in einer ungewissen Zeit den Unterricht wieder aufzunehmen, das ist sinnlos. Ich bedaure das sehr, denn ich hatte mich auf diese Sache schon sehr eingestellt, aber offenbar ist es noch nicht so weit. – Martha machte der Frau S. den Vorschlag, ihr Haus von Anfang Juli bis Anfang August an das Ehepaar Krappmann zu vermieten. Da sie nicht abgeneigt war, rief Martha Krappmanns an, die auch beide sofort per Rad herüberkamen, sodaß eine vorläufige Einigung erzielt werden konnte. –

     Dr. K. ist der Ansicht, daß in der nächsten Zeit von uns gegen England ein schwerer Schlag geführt werden würde u. daß man dann möglicherweise dadurch ein Nachlassen der englischen Luftangriffe erzielen würde. Das halte ich für ausgeschlossen. Sicher werden wir einen Schlag führen, aber England wird dann noch schwerer zurückschlagen u. es wird eine grauenhafte Sache entstehen.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1943-06-13. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-06-16_001.jpg&oldid=- (Version vom 16.10.2024)