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Seite:HansBrassTagebuch 1943-09-11 001.jpg

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Sonnabend, 11. Sept. 1943.     

     Am Donnerstag Nachmittag erhielt ich von Fritz die Abschrift eines Briefes, den sein Schwiegervater an ihn gerichtet hat. Es ist dies der erste Brief den er von Seiten der Familie seiner Frau seit seinem Urlaub überhaupt bekommen hat, – u. wenn ich nicht an Herrn Dr. Bohner geschrieben hätte, so hätte er auch diesen nicht bekommen. Diese Familie stellt wahrhaftig einen Gipfel an Gewissenlosigkeit dar. Herr Dr. B. bedauert zwar, daß seine Tochter fortgelaufen ist u. er teilt Fritz mit, er habe ihr geschrieben, daß sie zurückkehren solle, – doch diese denkt garnicht daran. Im Uebrigen aber steht Herr B. ganz auf der Seite seiner Tochter. Selbst die gewissenlose Haltung seiner Frau, die in diesem ganzen Spiel ganz offensichtlich der treibende Keil gewesen ist, findet Herr B. eine harmlose „Frauenlist“, wie sie durch die Jahrtausende gehe u. die nur Wert wäre, darüber zu lachen. Zu dieser Sache hat Herr B. nichts weiter zu sagen, als daß es unfair von Fritz gewesen wäre, einen Brief Margrets an diese Mutter zu öffnen u. zu lesen. Diese Haltung ist einfach unbegreiflich. Sonst ist der ganze Brief in einer seichten, großväterlichen Heiterkeit gehalten u. durchaus wohlwollend u. es ergibt sich daraus, daß dieser Mensch nichts ist als ein intelligenter Feigling u. Trottel.

     Ich habe sofort an Fritz geschrieben u. ihm Anhaltspunkte gegeben, in welcher Weise er diesen Brief beantworten solle, denn er bat mich darum. Nachdem ich meine Antwort in den Kasten geworfen hatte, ging ich mit Martha spazieren wegen des schönen Herbstwetters. Draußen trafen wir Prof. Erich Seeberg, der sich uns anschloß u. sehr erstaunt war, als er hörte, daß weder wir noch Fritz bisher eine Nachricht von Margret bekommen hätten. Er erzählte uns, daß ein Brief von Margrets Mutter an seine Frau eingetroffen sei. Seine Frau sei momentan in Berlin u. er habe den Brief geöffnet u. ihn nur flüchtig überlesen. So weit er sich erinnere, stand darin, daß Margret einen Scheidungsantrag stellen wolle. – Wir waren natürlich auf's Höchste verblüfft, – auf meine Frage, welchen Scheidungsgrund Margret denn habe, sagte er, das wisse er nicht. Er war offenbar selbst höchst empört über diese Mitglieder seiner Familie. Er sagte mir, daß er nicht ganz genau wisse, ob das mit der Scheidung wirklich so im Briefe stehe, wie er es jetzt übersetze, – aber dem Sinne nach doch so ähnlich, – er würde mich später anrufen u. mir Genaueres sagen. – Martha u. ich gingen dann nachhause u. ich schrieb an Fritz sofort einen zweiten Brief, in welchem ich ihm diese Begegnung mitteilte u. ihm empfahl, unter diesen Umständen seinem Schwiegervater überhaupt nicht zu antworten. Der Brief ging noch mit gleicher Post ab, so daß Fritz beide Briefe zur gleichen Zeit erhält. Später rief dann Prof. S. an u. sagte mir, er habe den Wortlaut aus der Erinnerung doch etwas übertrieben. Er las mir am Telephon den Brief vor. Er ist offenbar eine Reaktion auf den äußerst scharfen Brief, den ich sofort nach Fritzens Abreise an Margret geschrieben hatte. Frau B. hat daraus entnehmen können, daß alle Seebergs auf unserer Seite stehen – u. das ist ihr äußerst unangenehm. Sie will sich nun an ihre Familie wieder heranmachen u. schreibt davon, daß sie so gern in diesem Winter nach Ahrenshoop gekommen wäre, daß das nun nicht ginge, da Margret sich weigere, nach hier zurückzukehren u. da sie selbst – natürlich ganz unbegründet – in den Verdacht geraten sei, als sei sie bei dem ganzen Zerwürfnis die treibende Kraft gewesen. – Sie spricht also wohl das Wort Scheidung nicht aus, läßt aber erkennen, daß sie mit einer solchen rechne u. spricht auch davon, daß in diesem Falle ihre Tochter Margret die Schuldige sein würde. – Nun also, – es ist somit ganz klar, daß Margret nicht zurückkommen will, daß sie die Ehe nicht fortsetzen will, also eine Scheidung

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1943-09-11. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-09-11_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2024)