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Seite:HansBrassTagebuch 1943-09-12 001.jpg

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ist jetzt um so mehr der kurz vorher erfolgte Tod des Königs von Bulgarien. Rumänien scheint vorerst bei der Stange zu bleiben, aber aus Ungarn hört man garnichts, – selbst Pressestimmen aus Ungarn anläßlich des Verrats werden in der Zeitung nicht gebracht. Das ist ein trübes Zeichen. – Auch aus Spanien u. Portugal hört man vorerst garnichts. –

     Am Sonntag Abend werden wir bei Erich Seeberg sein, da werden wir über den Brief der Frau Bohner Näheres hören. –

Sonntag, 12. Sept. 1943.     

     Heute morgen wieder schöne Andacht. Ich sprach am 13. Sonntg. n. Pf. über das Geheimnis der Auserwählung u. die europäische Situation, bzw. die Situation des christl. Abendlandes in der Gegenwart. Es waren zugegen. Frau Krappmann, Vater u. Tochter Heimann (sie reisen morgen ab) Frau Bierwirt mit ihrer Tochter Marianne u. eine mir fremde Dame, die in der Woche sich bei Martha nach kathol. Gottesdienst erkundigt hatte. Monheims konnten nicht kommen, weil der Mann heute früh abreiste. Unsere Sonntags-Andacht wird immer reicher, es wollen gern noch mehr daran teilnehmen. Es scheint sich langsam zu verwirklichen, was Pfr. Feige mir schon im vorigen Jahre sagte, u. in diesem Jahre wiederholte: „Sie haben hier eine besondere Mission.“ – Auch der Religionsunterricht dehnt sich aus, Frau Prof. Heydenreich hat ihren kleinen Sohn angemeldet u. ebenso Frau Dr. Clemens, Tochter von Dr. Ziel. Es sind jetzt schon 12 Kinder.

Montag, den 13. Sept. 43.     

     Gestern Abend waren wir also bei Prof. Erich Seeberg. Seine Frau u. die Tochter Erika waren auch da, diese will in den nächsten Tagen heiraten. Es ist das die Tochter, von der Margrets Mutter einmal zu mir sagte, sie sei eine Dirne.

     Erich Seeberg las uns den Brief von Margrets Mutter vor. Sie schreibt sehr unklar in allgemeinen Wendungen von der Entwicklung, die die Ehe Margret-Fritz genommen habe. Sie habe stets gegen diese Ehe Bedenken gehabt u. es sei nun so, daß Margret sich weigere, hierher zurückzukehren. Irgend eine Begründung gibt sie nicht, deutet nur an, daß Margret dadurch die Schuld auf sich nehmen müsse u. bedauert scheinheilig, daß Margret „in ihrer impulsiven Art“ (sprich: unbeherrschte Ungezogenheit) noch während Fritzens Urlaub abgereist sei, wobei sie ganz naiv zu vergessen scheint, daß sie ihrer Tochter das Telegramm sandte mit welchem sie eine Erkrankung log u. M. zur sofortigen Abreise aufforderte. Sie meint ebenso naiv, daß sie durch dieses Telegramm in den falschen Verdacht geraten sei, die Ehe zu zerstören. Nachdem sie noch eine Bemerkung macht, daß sie von uns nun allerhand Kleinlichkeiten erwarte, bedauert sie, daß durch diese Sache ihr Plan gescheitert sei, im Winter hier in Margrets Wohnung ein angenehmes Dasein zu führen. Damit ist für sie die Sache erschöpft. – Der Brief ist unklar, ohne Gedanken, u. läßt alles offen, – dies ist auch Seebergs Ansicht. Alle Seebergs sind nach wie vor empört. –

     Wesentlich interessanter war das übrige Gespräch, das sich anschließend entwickelte. Es wurde gefragt, was es denn nun eigentlich sei, was Margret so enttäuscht habe, sodaß sie einfach abreiste. Erika, die sich wohl auf solche Dinge gut versteht u. mit der sich Margret ausgesprochen hat, erklärte rund heraus, Margret sei von Fritz erotisch enttäuscht worden. Ich war darüber verwundert u. fragte, ob ein Mädchen von 18 Jahren, das eben noch zur Schule gegangen sei, erotisch enttäuscht sein könne. Eine solche Enttäuschung setzt entweder bereits gesammelte Erfahrungen voraus oder eine sehr wuchernde Fantasie, die dann in des Praxis in der Tat stets Enttäuschungen hervorrufen muß. Und ich fragte ferner, ob eine solche Enttäuschung dieses Verhalten rechtfertigen könne.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1943-09-11. , 1943, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-09-12_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2024)