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Seite:HansBrassTagebuch 1943-10-11 001.jpg

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Dnjeper zum Stehen kommen würde, doch scheint das nicht der Fall zu sein. Es ist ihnen gelungen, nördlich u. südlich von Kiew u. unterhalb von Krementschug Brückenköpfe zu bilden. Wir haben unseren Kuban-Brückenkopf gegenüber Kertsch aufgegeben u. falls es den Russen gelingt, über die gebildeten Brückenköpfe hinaus weiter vorzustoßen, dann ist die ganze Krim verloren. Es kann dann leicht geschehen, daß dann eine planmäßige Räumung der Krim garnicht mehr möglich ist. Gleichzeitig scheinen die Russen nun einen Angriff auch im Norden in Richtung Pleskau zu beginnen. Ein Durchstoß an dieser Stelle zum Peipussee würde dann die ganze Armee bei Petersburg abschneiden u. könnte eine große Katastrophe werden. Zum Winter, wenn erst die Sümpfe zugefroren sein werden, ist mit einem solchen Versuch bestimmt zu rechnen.

     Die Engländer kommen in Italien nur langsam vorwärts. Sie haben sich das wohl anders gedacht.

Montag, 11. Oktober 1943.     

     Gestern Nachmittag bei Frau Smith zum Kaffee. Außer Krappmanns war ein Graf Suroff oder so ähnlich da, ein Freund von Frau S., Kunsthistoriker, Russe, ein fein gebildeter, intelligenter u. äußerst sympathischer Herr. Bohnenkaffee u. vorzüglichen Kuchen, – Käsekuchen, Apfelkuchen, Streußelkuchen. Nachher tranken wir eine Flasche Sekt mit Rotwein, den wohl Dr. Krappmanm spendierte. Es war wie immer bei Frau Smith überaus anregend u. unterhaltsam, diesmal besonders durch den Grafen. Frau Smith hatte den großen Angriff der Engländer gegen Simensstadt miterlebt, da ihr berliner Haus in Westend dicht neben Simensstadt liegt. Sie erzählte sehr lebendig von dieser Schreckensnacht, die furchtbar gewesen sein muß. Ihr Haus gehört zu den wenigen, die nicht total vernichtet sondern bloß demoliert sind. – Graf S. erzählte aus Rußland. Abgesehen davon, daß der Bolschewismus dort eben ein ausgesprochen asiatisches Gesicht hat, scheint mir das Ganze nicht viel anders als bei uns in Deutschland zu sein. – Wir waren erst 1/4 nach 8 Uhr wieder zu Hause. – Die anregende Unterhaltung, der Bohnenkaffee u. die schön geheizten Zimmer bei Frau Smith haben Marthas Erkältung recht gut getan.

Sonnabend, den 16. Oktober 1943.     

     In dieser Woche habe ich seit vielen Jahren wieder einmal zu malen versucht. Durch Hülsmann habe ich gutes Aquarellpapier bekommen und auch Aquarellfarben. Der erste Versuch mißlang vollständig, einen zweiten Versuch habe ich gleichfalls aufgeben müssen. Die Technik ist schwierig – aber vor allem schlage ich mich noch mit Kompositionsproblemen herum. Wenn man in Oel malt kann man das während dem Malen tun, beim Aquarell soll aber alles gleich sitzen. Gestern betrachtete ich Reproduktionen nach Picasso u. es wurde mir einigermaßen klar, woran ich gescheitert bin, nämlich an den Formen, die in's Bild hineingehen, also hier hauptsächlich am Vorder= u. Mittelgrund. Es handelte sich um einen Weg u. eine Wiese, die vom Vordergrund in den Mittelgrund reichen. Dergleichen kann Picasso offenbar auch nicht lösen.

     Gestern feierten Martha u. ich unseren einjährigen Hochzeitstag. Wir hatten Dr. Krappmann + Frau eingeladen, die vor einem Jahre auch unsere Gäste waren. Dr. K. war Trauzeuge gewesen. Dazu hatten wir Frau Monheim gebeten u. Frau Smith. Letztere kam nicht, weil sie erkältet war. – Ich hatte sehr viel Blumen aus dem Garten geholt, – es waren so ziemlich die letzten. Wir gaben echten Tee mit Kognak, dazu zwei Apfeltorten, die unsere Trude sehr schön gemacht hat. Frau Krappmann brachte ebenfalls eine Apfeltorte mit. Wie tranken dann eine Flasche Pommery mit Rotwein gemischt. Es war sehr angeregt, die Gäste gingen erst um 1/2 1 Uhr.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1943-10-10. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-10-11_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2024)