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Seite:HansBrassTagebuch 1944-02-05 002.jpg

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nun bestimmt mit der Vernichtung der Fabrik rechne. Aber so lange das noch nicht eingetreten ist, wird er doch dort bleiben. Es ist also unverständlich, warum Frau M. so Hals über Kopf von hier fort soll! – auch sagt sie nicht, wohin sie geht, – sie macht nur gelegentlich Andeutungen, aus denen hervorgeht, daß sie irgendwo in der Gegend von Frankfurt M. sein wird; aber diese Gegend ist fast noch gefährdeter, als Berlin. –

     Vor einiger Zeit, etwa vor 14 Tagen oder 3 Wochen, traf hier ein großer, grau gestrichener Wehrmachts-Möbelwagen ein, der bei Monheims stehen blieb. Die Sache machte natürlich im Dorf großes Aufsehen. Ich hatte geglaubt, daß dieser Wagen Möbel u. Wertgegenstände aus der Frohnauer Villa hierher gebracht hätte. Frau M. sagte bloß, daß ihr Mann diesen Wagen geschickt hätte. Aber als wir neulich zum Kaffee bei ihr waren, sah ich, daß in der großen Halle ein großer Schrank, Teppiche u. Beleuchtungskörper u. a. Dinge fort waren. Der Möbelwagen hatte also nichts gebracht, sondern geholt. Er war aber viel zu groß, um von diesen Sachen voll zu werden, er wird also entweder noch andere Sachen enthalten haben, oder es werden sonst wo noch andere Sachen dazu getan worden sein. Als dann einige Tage später ein schwerer Angriff auf Frankfurt stattgefunden hatte und ich zu Frau M. davon sprach, – die es noch nicht wußte, bekam sie einen großen Schrecken u. rief. „O Gott! – unser Möbelwagen!“ – Also ist dieser Wagen dorthin gegangen. – Gestern sagte Frau M., daß es ihrem Mann noch einmal gelungen sei, einen solchen Möbelwagen zu bekommen, mit dem dann Wertgegenstände aus Frohnau abtransportiert werden sollen. – Wohin? – Frau M. sagt, daß ihre künftige Wohnung sehr klein sein würde, – also kann dort nicht der Inhalt von zwei großen Möbelwagen untergebracht werden. Diese ganze Sache erscheint mir sehr geheimnisvoll u. ich habe den Verdacht, daß die Nähe der schweizer Grenze dabei eine Rolle spielen wird. –

     Ich kann auch nicht verstehen, wieso es nötig ist, daß die Schw. Helene, die den Haushalt in Frohnau versieht, plötzlich hierher kommen soll u. dafür Ingrid nach Frohnau gefahren ist. Wenn Frohnau so gefährdet ist, verstehe ich nicht, wieso man die Tochter, die noch dazu körperlich behindert ist, dorthin schafft. Alles das ist sehr undurchsichtig; aber wir fragen nicht. Es ist sehr rührend, zu sehen, wie Frau M. sich durch all diese Geheimniskrämerei hindurchwindet u. dankbar ist, daß wir sie nicht fragen; aber wissen möchte ich doch, was eigentlich dahinter steckt. Frau M. ist dabei ebenso traurig, wie wir selbst, daß sie von uns fortgehen muß. Wir sind die Einzigen im Ort, mit denen sie verkehrt u. ich muß sagen, daß ich sie sehr gern habe. –

     Gestern mußten wir, Martha u. ich, nach Ribnitz zum Notar Rütz wegen des Prerower Grundstücks. Wir ließen uns von Spangenberg nach Wustrow zum Dampfer fahren. Es war recht kalt, schneidender Ostwind. Auf dem Wagen fuhr Ingrid Monheim mit, um nach Bln. zu fahren. Am Grenzweg stieg noch das Ehepaar Geh. Rt. Granz dazu u. ich mußte diesem Mann, der von je her gegen mich überaus gehässig gewesen ist, gegenübersitzen. Er ist schon 94 Jahre alt, aber noch sehr rüstig. – In Wustrow trafen wir Erich Seeberg u. seine Frau u. den Sohn, den Marinepfarrer, der gegenwärtig auf Urlaub ist. Er ist Pfarren auf der Tirpitz u. liegt irgendwo in Norwegen. Kein angenehmer Mensch, das Ebenbild seiner Mutter, Seeberg freute sich, uns zu sehen, begrüßte uns u. wir saßen auf dem Dampfer zusammen. Ich hatte ihm vor einiger Zeit mein Manuskribt „Wehe uns Gottlosen“ gegeben, das er mir

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Hans Brass: TBHB 1944-02-08. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-02-05_002.jpg&oldid=- (Version vom 20.10.2024)