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Seite:HansBrassTagebuch 1944-04-27 001.jpg

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     Der Sturm ist wieder abgeflaut u. es ist klares Wetter. Heute früh unsere Andacht mit Grete u. Trude. Nachmittags Martha vorgelesen: „Tsushima“ von Frank Tiess, ein sehr wertvolles Buch, das ich allein schon einmal gelesen habe. Die zweite Lektüre eines guten Buches ist stets weit genußreicher als die erste. – Als es zu dunkel wurde, um weiter zu lesen, beteten wir einen Rosenkranz u. nun wird geschlafen. Es war wieder ein schöner Sonntag voll Ruhe u. innerer Sammlung.

Donnerstag, 27. Apr. 1944.     

     Nichts ist seither geschehen, außer schweren Luftangriffen hauptsächlich auf Nordfrankreich, Eisenbahnanlagen bei Paris, aber auch Angriffe auf Braunschweig, Schweinfurt u. a. Städte. Vor allem zwei aufeinanderfolgende, anscheinend sehr schwere Angriffe auf München.

     Von Pfr. Dobczynski ein langer Brief. Er knüpft an an das Gespräch, welches wir bei seinem letzten Hiersein hatten über Belebung des christl. Lebens in seiner Gemeinde. Seine Sehnsucht ist ein Kreis aufgeschlossener Menschen. Das ist schwer in solch einer Gemeinde, die sich in kleine Grüppchen oder gar Einzelpersonen in vielen weit entlegenen Dörfern aufspaltet u. überdies vorwiegend aus geistig bescheidenen Menschen besteht. Es fehlen fast ganz die geistigen Voraussetzungen, um einen solchen Kreis zusammen zu bringen u. außerdem sind die technischen Schwierigkeiten infolge mangelnder Verbindungen zumal jetzt im Kriege sehr groß. Dennoch will er wenigstens anfangen, einen Weg dahin zu finden u. er bittet mich um meine Mithilfe.

     Er erwartet demnächst den Bischof zur Firmung. Da unser Bischof guten Vorschlägen offen ist, – wenigstens behauptet der Pfarrer das, möchte er ihn erst einmal seine in 7jähriger Arbeit in Barth gemachten seelsorglichen Erfahrungen mitteilen, u. zwar schriftlich. Er wird dabei besonders die Konvertiten-Arbeit im Auge haben. Er hofft dann, daß der Bischof dann bei seinem Hiersein ihm Gelegenheit zur gründlichen Aussprache geben wird, u. zu dieser Aussprache möchte er mich gern hinzuziehen. Der Pfarrer steht auf dem sehr richtigen Standpunkt, daß die Glaubensverkündigung nicht allein Sache der Priester ist, sondern auch der Laien u. deshalb möchte er mich mit dem Bischof bekannt machen, damit mir von ihm die missio canonica endgültig erteilt wird, die ich ja praktisch längst ausführe.

     Damit das alles besser klappt, ist es sein Wunsch, mir einen besseren Einblick in seine Gemeindeverhältnisse zu geben. Er möchte mir Gelegenheit geben, an Gottesdienst u. Christenlehre mit den Kindern in der Kirche teilzunehmen, dann aber auch, mich mit den wenigen, aufgeschlossenen Menschen seiner Gemeinde bekannt zu machen. Er hofft, daß ich dazu beitragen kann, diese Menschen näher zusammen zu führen. Deshalb bittet er uns, am Samstag den 13. Mai u. Sonntag d. 14. Mai nach Barth zu kommen. Ein Ingenieur-Ehepaar Namens Hertweck in Barth, am Schützenwall 4 will mir Quartier in ihrem Hause geben u. für Martha hat er ein Quartier bei einem anderen jungen Ehepaar. Am Bischofstage können, wir ebenfalls bei denselben Leuten wohnen. – Es ist überaus rührend, welche Mühe sich der Pfarrer gibt. Er stellt in Aussicht, daß er am Pfingstmontag wieder bei uns zelebrieren will. –

     Sodann von Fritz ein überaus unglücklicher Brief, den ich heute sofort beantwortet habe. Sein angenehmes Privatleben scheint nun endgültig vorbei zu sein. Das neue, motorisierte

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Hans Brass: TBHB 1944-04-23. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-04-27_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.10.2024)