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Seite:HansBrassTagebuch 1944-04-30 001.jpg

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Regiment, dem er nun angehört als Krankenträger, liegt südlich Paris in der Nähe von Bourges. Seine Spezialaufgabe ist Banden- u. Terrorbekämpfung. So weit ist man nun also in Frankreich schon. Es ist zu fürchten, daß in dem Augenblick wo die Anglo-Amerikaner in Frankreich landen, der Aufstand im ganzen Lande ausbrechen wird u. daß es dann ein Blutvergießen ohne gleichen geben wird. Ich bin deshalb um Fritz in großer Sorge, jedoch habe ich ihm davon nichts geschrieben, sondern ich habe ihn in hoffentlich nicht zu krasser Form ermahnt, endlich seine unernste u. spielerische Lebensauffassung, über Bord zu werfen u. den Dingen mit männlichem Ernst in die Augen zu sehen. Sein Brief ist ein schrecklich waschlappiges Gejammere über das Unglück, das nun über ihn gekommen ist, – dabei ist noch garnichts los. Was soll denn erst werden, wenn es nun für ihn wirklich ernst wird? Mein Brief wird ihm kaum viel Freude machen u. das tut mir leid; aber dieses spielerische Dasein muß nun endlich aufhören.

     Im Garten bin ich mit Graben endlich fertig geworden. Paul organisiert unser Warenlager sehr geschickt u. mit großem Eifer.

     Gestern besuchte mich Erich Seeberg, um sich sein Lutherbuch wieder zu holen. Er muß nun nach Bln. u. Vorlesungen halten, was er nicht gern tut. Sein Sohn Bengt hat geschrieben, er ist bei dem Angriff auf die Tirpitz heil davon gekommen, aber es hat dabei sehr viel Tote gegeben. Von der Gattin des Kapitän z. S. Meyer, welcher dieses Schiff führt, haben wir heute die Nachricht bekommen, daß ihr Marn bei diesem Angriff verwundet worden ist u. nach Kiel ins Lazarett kommt. – Von Irmgard Wegscheider gestern ebenfalls Nachricht, daß sie die beiden Jungens Jens u. Peter mit dem Dienstmädchen herschicken will, nachdem Martha ihr das kürzlich angeboten hatte. –

     Gestern Abend zum Vortrag nur die alte Frau Ziel mit ihrer Tochter Marianne Clemens. Frau Korsch sagte in letzter Minute ab, sie hat sich mit Arbeit übernommen, Grete war auch müde. Ich brachte die Lehre von der Kirche zum Ende.

Sonntag, 30. Apr. 1944     

     Von Fritz zwei weitere Briefe. Er scheint sich in das Unvermeidliche zu fügen, etwas anderes bleibt ihm ja auch nicht übrig. Ich wollte nur, daß er es in einer anderen Gesinnung täte, weniger zähneknirschend, sondern im Glauben u. im Wissen, daß das irdische Leben nur dem Grade nach manchmal noch unangenehmer u. enttäuschender ist, als in normalen Zeiten, anstatt daß er nur immer nach größtmöglicher Bequemlichkeit u. amüsantem Zeitvertreib Ausschau hält.

     Gestern Mittag wieder schwerer amerikan. Angriff auf Berlin. Martha telephonierte mit ihrer Schwiegertochter Anneliese, welche aber keine genaue Auskunft geben konnte, da sie bei ihren Eltern im Osten Berlins krank liegt. Sie hat sich beim Wiederaufbau der zerstörten Wohnung in der Potsdamer-Straße total übernommen, Kurt hat sie natürlich maßlos überanstrengt. Sie wußte bloß, daß abermals die Potsdamer-Straße stark betroffen worden sei bis zum Potsdamer-Platz, zum Halleschen Tor. Auch der Wedding soll stark betroffen sein.

     Gestern Nachmittag Besuch von Erich Meisner u. Frau zusammen mit Küntzels. Erich M. sieht furchtbar elend aus, er kam aus Berlin u. bleibt nur einige Tage hier.

     Abends kam endlich Dr. Wessel u. brachte mir den Zahnersatz. Es ist anfangs sehr unbequem u. es scheint eine gewisse Geschicklichkeit

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Hans Brass: TBHB 1944-04-27. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-04-30_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.10.2024)