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Seite:HansBrassTagebuch 1944-06-02 001.jpg

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Freitag, 2. Juni 1944.     

     Gestern abend sagte ich telephonisch dem guten Pfarrer in Barth ab. Es ist uns einfach zu anstrengend, nochmals diese Reise zu machen u. dabei noch Gefahr zu laufen unterwegs von amerikan. Fliegern mit Bordwaffen beschossen zu werden. Der Pfarrer war sehr betrübt, aber ich kann ihm da nicht helfen, wir haben uns heute noch nicht von der Anstrengung der letzten Reise ganz erholt, da ja auch das Geschäft jeden Tag anstrengend ist. Man wird eben zu alt, um solche Unternehmungen machen zu können. – Heute ist wohl der Bischof in Barth, morgen will er wohl firmen u. es wäre natürlich gut u. wünschenswert gewesen, ihn persönlich kennen zu lernen, aber es geht nicht.

     Die Woche über war schönes Wetter, aber heute regnet es wieder, sodaß auch das Reisewetter ungewiß ist. Wenigstens ist es dabei noch warm.

     Gestern Abend besuchte uns Frl. Sabine Klein. Sie erzählte anschaulich von den furchtbaren Angriffen auf Berlin, die sie miterlebt hat, besonders der Angriff am 23/24 Nov. 43. Von diesem Angriff wurde sie im Admiralspalast überrascht u. sie mußte dann zu Fuß von der Friedrichstraße bis zum Grunewald durch das brennende Berlin gehen.

     Am Dienstag Abend besuchte uns Frau Smith, die sich sehr über Frau Krappmann beklagte, so wie diese sich vorher über Frau Smith beklagt hatte. Es ist natürlich nicht gut möglich, daß diese beiden Frauen miteinander auskommen, denn Frau K. ist in der Tat eine recht kleinbürgerliche Person.

     Erich Seeberg lieh mir den I Bd. von Michael Schmaus: Katholische Dogmatik. Er hat sich diese vier Bände besorgen lassen durch Prälat Schreiber. Es ist doch sehr bemerkenswert, daß er dergleichen studiert.

     Von Krappmann habe ich leihweise Ortega y Gasset: Der Aufstand der Massen erhalten. Sehr interessantes Buch!

     Leider ist Frau Carmen Grantz nach Bln. gefahren, sodaß ich nun wieder alle Tage an der Kasse sitzen muß. Sie hatte mir diese Tätigkeit so schön abgenommen. –

     In Italien geht die Offensive der Angloamerikaner mit Heftigkeit weiter, hat aber bisher nur taktische Erfolge gebracht, keine strategischen. An der Ostfront herrscht vollkommene Ruhe.

     Von Fritz hören wir nichts.

Sonnabend, 3 Juni 1944.     

     Es ist wieder kalt u. stürmisch geworden, viel Regen, der ausdauernd fällt. So freuen wir uns, daß wir Barth abgesagt haben, die Wagenfahrt nach Prerow heute früh wäre furchtbar gewesen.

Sonntag, 4. Juni 1944.     

     Wie so oft, ist in Italien ein plötzlicher Zusammenbruch unserer Verteidigung erfolgt. Gestern noch hieß es, daß wir starke Stellungen im Albanergebirge südlich Rom verteidigten, heute stehen die Alliierten bereits vor Rom. Es scheint, als wären wir im vollen Rückzuge, ohne Rom noch verteidigen zu wollen. Gott sei gedankt, daß diese Stadt wenigstens dem Schicksal zu entgehen scheint, Kampfplatz zu werden. Offenbar hat die gegnerische Luftwaffe in den letzten Wochen alle Zufahrtswege zur Front so gründlich zerstört, daß ein Nachschub nicht mehr möglich war, sodaß der Zusammenbruch plötzlich eintrat. Auch die von den Alliierten wirksam unterstützten Partisanenverbände hinter unserer Front haben das ihrige dazu getan. Sicher wird Kesselring versuchen, weiter im Norden, wohl etwa

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1944-06-02. , 1944, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-06-02_001.jpg&oldid=- (Version vom 9.6.2024)