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Seite:HansBrassTagebuch 1944-06-15 001.jpg

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das Haus verdient hat, in welchem er jetzt sehr bequem und billig wohnt. – Es ist auffallend, wie Dr. K. mit der Zeit immer flacher geworden ist. Er meint, daß die nervöse Spannung diese Jahre hindurch zu groß gewesen sei. Es mag schon sein, aber andere Leute ertragen weit größere Spannungen, ohne dabei seicht zu werden. Er hat sich in der letzten Zeit, besonders seitdem er im Hause Smith wohnt, mit allzu seichten Leuten abgegeben. Er duzt sich mit seinem Nachbar, dem Bauern Nagel u. dessen Frau, er verkehrt mit Käte Miethe u. der alten Miethe, deren Geheimratstitel ihm wohl imponiert u. mit Leuten, die gewöhnt sind, dauernd unter Alkohol zu leben u. ein übles Leben zu führen wie Birkichts u. a. Es wird Zeit, daß er hier fort kommt. –

     Mit der Invasion scheint es gut zu stehen. Wir geben jetzt selbst zu, daß die Gegner einen Küstenstreifen von 80 km. Länge zusammenhängend besetzt haben, der etwa bis zu 20 km. tief ist. In dieser ganzen Zone müssen also doch unsere Befestigungsanlagen niedergekämpft worden sein, obwohl sie angeblich uneinnehmbar waren. Und unsere sog. Geheimwaffe? – Dr. K. behauptete gestern, daß sie noch in Anwendung kommen würde, aber nicht mehr entscheidend sein könnte. – In Italien stehen die Angloamerikaner jetzt halbwegs zwischen Rom u. Florenz.

Abends.

     Die Russen haben eine Offensive auf der karelischen Landenge gegen Finnland begonnen, wahrscheinlich, um das Nordufer den finnischen Meerbusens zu gewinnen u. unseren Verkehr nach Schweden zu stören u. als Vorbereitung auf die Offensive gegen das Baltikum. – In der Normandie halten die Angloamerikaner jetzt einen Küstenstreifen von 100 km. Länge, sie erreichen stellenweise eine Tiefe von 27 km. Auf der Halbinsel Cherbourg machen sie weiterhin Fortschritte.

     Mit Erich Seeberg gesprochen. Er sagte mir, Prälat Schreiber sei der Meinung, der Krieg würde noch bis 1946 dauern. Der Prälat versteht natürlich etwas von Politik u. er wird diese Meinung schon begründen können, dennoch glaube ich daran nicht, es muß bis zum Herbst zuende sein, allerdings nur, wenn die Angloamerikaner noch verschiedenes unternehmen. Das werden sie aber tun, denn sonst hätten sie diese Invasion nicht unternommen, die sie nicht nötig gehabt hätten, wenn sie nicht entschlossen wären, den Krieg zum raschen Ende zu bringen. Bis 1946 hätten sie uns auch ohne Invasion, allein durch den Luftkrieg, in die Knie gezwungen, da sie sich zur Invasion entschlossen haben, zeigen sie, daß ihnen am baldigen Ende viel liegt. Man darf ja nicht vergessen, daß auch sie mit allerhand Schwierigkeiten zu kämpfen haben u. daß sie dann, wenn dieser Krieg zuende ist, mit Japan erst noch anfangen müssen.

Donnerstag, 15. Juni 1944.     

     Dienstag abend war Herr Larsen-Hamburg bei uns, ein Maler, der sich viel in der Welt herumgetrieben hat u. fast alle Gegenden des Globus kennt. So weit ich aus seinen Erzählungen, die recht amüsant waren, entnehmen konnte, betreibt er jetzt in Hamburg eine schwungvolle keramische Werkstatt.

     Gestern Abend zum Vortrag waren neben Frau Dr. Korsch und Marianne Clemens noch Frau Carmin Grantz u. eine Frau

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Hans Brass: TBHB 1944-06-12. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-06-15_001.jpg&oldid=- (Version vom 9.6.2024)