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Seite:HansBrassTagebuch 1944-12-14 001.jpg

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Donnerstag, 14. Dez. 1944.     

     Gestern am Spätnachmittag waren Herr u. Frau Ribinski bei mir. Das sind die Eltern des verstorbenen Kindes. Sie wollten die Beerdigung mit mir besprechen. Des Mann arbeitet in einer Rüstungsfabrik bei Tschenstochau u. ist wegen des Toderfalls beurlaubt worden. Er ist ein typischer Pole, recht intelligent, offenbar sehr strebsam u. fleißig, dabei ein ganz braver Katholik. Die Beerdigung soll nun heute Nachmittag um 5 Uhr stattfinden u. der Mann bat mich, alles so schön wie möglich zu machen, wozu ich mir Mühe geben werde. Genau zur selben Zeit wird auch Frau Schorn beerdigt, hoffentlich werden sich die beiden Beerdigungen nicht gegenseitig stören. Es ist ja das erste Mal, daß ich dergleichen tue.

     Gestern von Ruth Nachricht. Es geht ihr gesundheitlich noch garnicht gut. Während sie in der Klinik lag, ist die Anstalt Karthaus durch Fliegerangriff arg zerstört worden, es hat viele Tote gegeben.

Freitag, 15. Dez. 1944.     

     Gestern Nachmittag 1/2 3 Uhr fand die Beerdigung der kleinen Resi Ribinski statt. Das Haus besitzt zu ebener Erde eine Halle mit breiter Flügeltür nach dem Garten. Diese Tür war weit geöffnet, der Sarg war mitten in der Halle aufgebahrt. Er war offen, die kleine Leiche war hoch gebettet, sodaß man sie sehen konnte. Am Kopfende stand ein Tisch mit unserem Kruzifix u. unseren Altarkerzen. Frau Pastor Kumpf hatte zwei Blattpflanzen zur Verfügung gestellt, sonst waren noch ein paar Kränze u. Kiefernzweige da, der Weg durch den Garten war mit kleinen Tannenzweigen bestreut. Es mögen etwa 20 Menschen dagewesen sein, viele Kinder. Ich betete die Meßgebete aus der Allerseelenmesse mit kleinen Abweichungen u. hielt eine kurze, schlichte Ansprache dann noch eine für den Fall zurechtgemachte Allerselen=Andacht aus dem Tierer Gesangbuch. Der Sarg wurde dann geschlossen, wobei die Mutter sehr weinte. Vier etwa fünfzehnjährige Mädchen von den Ostpreußen trugen den Sarg zum nahen Friedhof. Der Sarg wurde hinabgelassen u. ich sprach noch ein schönes Gebet in der Sterbestunde, ebenfalls aus dem Tierer Gesangbuch u. ein Vaterunser u. Gegrüßet seist du ... . In dieser Zeit traf der andere Leichenzug mit den Ueberresten der alten Frau Schorn auf dem Friedhof ein, sodaß wir uns nicht gegenseitig störten. Das Kindergrab war überdies oben auf dem Berge, das Grab der Frau Sch. unten. Dort amtierte Pastor Loeber. Martha nahm ebenfalls dort teil u. nach dem, was sie mir davon erzählt hat, war unsere Beerdigung sehr viel feierlicher. – Die Mutter konnte sich nur schwer vom Grabe trennen. Sie ist eine sehr gute Frau. Die Eltern baten mich innig, daß ich doch noch mit ihnen zu einer Tasse Kaffee kommen möge, was ich auch tat. Es war erstaunlich, wie geschickt diese Leute in der Enge ihrer Stube eine Kaffeetafel arrangierten. Es waren die vier Mädchen dabei, die den Sarg getragen hatten, dazu noch eine Frau aus Ostpreußen u. eine andere gleichfalls, die der Frau Ribinski zur Hand ging. Es waren also insgesamt neun Menschen in dem engen Zimmer um den nicht großen Tisch, auf dem noch

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Hans Brass: TBHB 1944-12-14. , 1944, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-12-14_001.jpg&oldid=- (Version vom 23.10.2024)