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Seite:HansBrassTagebuch 1944-12-16 001.jpg

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zwei mit Streuselkuchen vollbeladene Teller Platz fanden. Die Enge bewirkte eine lebhafte Unterhaltung u. so waren die guten Leute bald wieder vergnügt u. sie lachten wie die Kinder. – Das war also die erste Beerdigung, in der ich den Pfarrer vertrat u. es ist sehr gut gegangen, – die Leute waren mir dankbar. –

     Heute ist Frost eingetreten, hoffentlich wird es nicht zu schlimm.

     Generalfeldmarschall Paulus hat von Moskau aus einen ganz vorzüglichen Aufruf an das Deutsche Volk erlassen u. im Rundfunk verlesen, sofort die Waffen niederzulegen. Er hat mit Hitler scharf abgerechnet. Hitler habe zwar, so sagte er einst die Arbeitslosigkeit beseitigt u. das Volk hätte ihm deshalb sein Vertrauen entgegengebracht. In Wirklichkeit hätte er aber die Arbeitslosigkeit nur dadurch beseitigt, daß er aufgerüstet habe, um diesen Krieg vorzubereiten. Das hätte das Volk nicht gewußt. Er habe dann alle Verträge mit den anderen Völkern gebrochen, er habe alle seine Gegner in Deutschland gefangen gesetzt oder vertrieben, habe die Religion zu vernichten versucht u. eine maßlose Willkürherrschaft eingeführt. Die übrigen Führer der Partei hätten umfangreiche Korruption betrieben, – bis dann der Krieg unvermeidlich gewesen sei. Anfangs sei es ja gut gegangen infolge der ungeheuren Aufrüstung, – aber dieses Kapital sei nun dahin, ohne daß unsere Gegner besiegt worden wären. Es sei jetzt unmöglich, noch einmal einen solchen Rüstungsvorsprung wie am Anfang des Krieges zu erringen, – im Gegenteil, heute ständen Kinder u. Greise an den Fronten u. die Frauen würden zur Wehrmacht einberufen. Hitler erreicht das durch seine Propaganda, die dem Volke vorerzählt, daß unsere Gegner die Absicht hätten, das ganze Volk auszurotten. Natürlich, meint Paulus, würden uns nun sehr schwere Friedensbedingungen auferlegt werden, denn die Deutschen hätten sich, verhetzt durch Hitler u. seine Leute, in diesem Kriege vieler Verbrechen schuldig gemacht, die den deutschen Namen in der ganzen Welt geschändet haben, – das müsse gesühnt werden; aber besser sei es, jetzt den Krieg zu beenden, solange noch einige Häuser u. Städte in Deutschland unversehrt stehen, als später, wenn alles in Trümmer liege. Im Jahre 1918 hatten Hindenburg u. Ludendorf in militärisch aussichtsloser Lage Frieden gemacht, – Hitler wolle das nicht, um sich selbst noch für einige Zeit zu retten.

     Die Russen machen bei Budapest weitere Fortschritte, die Amerikaner im Nordelsaß gegen die Rheinpfalz.

Sonnabend 16. Dez. 1944.     

     Gestern hielt Churchill im Unterhause eine in einem überaus pessimistischen Ton gehaltene Rede über Polen. Er erkannte den Anspruch Rußlands auf die Grenze der Curzonlinie ausdrücklich an. Polen solle dafür auf Kosten Deutschlands entschädigt werden, indem es ganz Ostpreußen bis einschl. Danzig bekäme. Es würden dazu Umsiedlungen nötig sein sowohl von Polen nach den westlichen Teilen dieses Reiches, wie auch Deutsche aus den neuen polnischen Gebieten. Hierzu meinte er, daß das keine Schwierigkeit bedeuten könne, da Deutschland bisher im Kriege etwa 7 Millionen Menschen

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1944-12-15. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-12-16_001.jpg&oldid=- (Version vom 23.10.2024)