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Seite:HansBrassTagebuch 1945-01-02 001.jpg

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Dienstag, 2. Jan. 1945.     

     Gestern Nachmittag mit Küntzels bei Prof. Triebsch zum Thee. Martha blieb zu Hause, weil sie sich nicht wohl fühlte, sie lag den ganzen Tag im Bett. Heute geht es besser.

     Wetterumschlag. Es regnet bei Südwest.

     Gestern überraschend ein Brief von Else. Sie schreibt, es sei ihr eine zwingende Notwendigkeit, mir zu schreiben. Sie schreibt von einem großen Irrtum, in dem sie einige Jahre hindurch gefangen gewesen wäre u. dessen sie sich jetzt schäme, der nun aber blitzartig durch ein einziges Wort, welches eine „gänzliche Umkehr des Willens“ hervorgerufen habe, beseitigt sei. Sie drückt sich über die Art dieses Irrtums nicht näher aus, doch dürfte es wohl die politische Gesinnung sein. Ich habe ihr heute gleich geantwortet.

Mittwoch, 3. Jan. 1945.     

     Gestern von Ruth einen sehr guten und lieben Brief. Es ist wirklich eine große Verwandlung mit ihr vor sich gegangen. Sie schreibt, daß sie seit Hartmut's Tode sehend geworden sei, daß die Mauer der Verstandeskräfte eingesunken sei u. daß sie nun in die Sphäre des Glaubens hineingereift sei, die ihr bisher verschlossen gewesen wäre. Sie formuliert das treffend, indem sie schreibt, sie habe bisher nur immer gedacht u. nicht erlebt! – Sie fühlt die elementare Gewalt dieser Wandlung so stark, daß es ihr dabei Angst wird u. sie die Notwendigkeit fühlt, nun die Verstandeskräfte wieder einsetzen zu müssen, um nicht im Strome des Gefühls zu versinken. Diese Wandlung bringt es mit sich, daß sie das Gefühl hat, ihrem bisher gewohnten Lebenskreise zu entwachsen u. damit ihrer Umgebung fremd zu werden. Dennoch zwingt sie sich, diese Umgebung möglichst nicht unter dieser Wandlung leiden zu lassen, wozu sie zu Weihnachten grade viel Gelegenheit gehabt hat. Sie schreibt, daß sie ruhiger geworden sei, seitdem sie ihr Geschick Gottes Hand anvertraut habe, sie hat aller Kritik des Verstandes entsagt – oder hat wenigstens den Willen dazu u. sie will nicht mehr mit Energie etwas erringen, was nur Gnadengeschenk sein kann. – Ich bete zu Gott, daß diese schöne Wandlung in ihr weitere Fortschritte machen möge. – Es ist seltsam, daß ich diesen Brief von Ruth fast gleichzeitig mit dem meiner Schwester Else erhielt, der fast denselben Inhalt hatte.

Sonnabend, 6. Jan. 1945.     

     Gestern Abend Erich Seeberg. Heitere Gespräche über Ahrenshoopiaden. Paul hatte sich vorgenommen. S. u. mich zu einer Flasche sehr gutem Bordeaux einzuladen, die er einmal vom Führer der TN geschenkt bekommen u. mit viel Mühe hierher mitgebracht hatte. Um sie anzuwärmen, hatte er sie auf die Heizung gestellt, wo Grete sie dann unachtsam umgestoßen hat, sodaß sie in Scherben ging. Er rettete nur knapp drei Gläser. Das Geschehnis war Anlaß zu allerhand Scherzen, – ich war der Meinung, daß darin eine Affekthandlung Gretes zu sehen sei, was Paul nicht verstand, da ihm S. Freud eine ziemlich unbekannte Größe ist. Als Seeberg fort war, nahm das Gespräch eine unbeabsichtigte religiöse Wendung, wobei sich zeigte, daß die religiösen Vorstellungen bei Paul weit unter denen eines katholischen

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Hans Brass: TBHB 1945-01-02. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-01-02_001.jpg&oldid=- (Version vom 2.9.2024)