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Seite:HansBrassTagebuch 1945-01-08 001.jpg

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Kindes aus der Volksschule liegen. Für ihn ist Christus eine Art moralischer Tanzlehrer, der uns Menschen beibringt, wie man sich moralisch anständig zu benehmen hat, – u. seine Lehren sind nicht einmal zeitgemäß. Es ist einfach hoffnungslos, mit solch einem Menschen über dergleichen zu sprechen, denn er hat in seinem Leben noch niemals die Unzulänglichkeit dieser Anschauung verspürt u. hat noch nie ein Verlangen nach Besserem gehabt. Ich begnügte mich, ihm begreiflich zu machen, daß die christl. Religion etwas ganz anderes ist, – etwas, dessen Grundbegriffe er noch nicht einmal ahnt; aber ich glaube, daß mir selbst dies nicht gelungen ist. Er hat überhaupt keine religiösen Bedürfnisse. –

     An der Westfront nehmen die Kämpfe zu. Die Neugruppierung bei den Anglo-Amerikanern scheint jetzt durchgeführt zu sein. Bisher griffen die Amerikaner nur im Raume Bastogne von Süden her an, jetzt ist auch der Angriff im Raume Stavelot vom Norden her in Fluß gekommen, verstärkt durch englische Truppen. Dies scheint nun der Hauptangriff werden zu sollen. Diese ganze Offensive kostet uns ungeheuer viel Material u. sie kann deshalb die rasche Ausblutung unserer Kräfte nur befördern. Vor einigen Tagen ist von uns ein großer Luftangriff auf die belgischen Feldflugplätze des Feindes versucht worden, um uns Luft zu schaffen vor der Überlegenheit der Gegner. Es scheint auch, als wäre es uns gelungen, eine ganz stattliche Zahl von Feindmaschinen zu zerstören, aber eine fühlbare Entlastung scheint nicht eingetreten zu sein. Es scheint vielmehr, als litten unsere vorgestoßenen Divisionen sehr stark unter den Nachschubschwierigkeiten. Dies wird aber immer schlimmer werden u. der Zusammenbruch dieses ganzen Unternehmens scheint unvermeidlich zu sein. – Demgegenüber bedeutet es nichts, wenn die Amerikaner weiter im Süden jetzt Bitsch und Weissenburg wieder geräumt haben. –

     Frau Krauss soll in Berlin an Krebs operiert worden sein. Sie ist 65 Jahre alt. Es scheint da wenig Hoffnung zu sein, daß unserer kleinen Gemeinde diese brave Stütze erhalten bleiben wird.

Montag, 8. Januar 1945.     

     Es schneit sachte bei mäßigem Frost. Heute Morgen den Weihnachtsbaum abgenommen und zum Fenster hinausbefördert, er kam unten fast ohne Nadeln an.

     Brief vom bisherigen Gefr. Maaß aus Kiel. Es stellt sich heraus, daß er Doktor ist. In Kiel scheint es ihm sehr gut zu gehen, er bekommt, wie er schreibt, den Kaffee ans Bett gebracht. Schade, daß er nicht mehr hier ist, er war ein sehr braver und gutmütiger Mann, der voller Dankbarkeit ist für die paar netten Stunden, die wir ihm und seinen Kameraden zuweilen bereiten konnten. Am Sonnabend u. am Sonntag Vormittag hackten, die beiden M-Artilleristen Woltero und Werner unser Knüppelholz fertig, am Sonnabend tranken sie dann bei uns Kaffee; aber ohne Maaß war das eine etwas langweilige Sache. –

     Gestern an Fritz geschrieben, den Brief von Ruth mitgeschickt. Ich glaube, daß er viel davon haben wird, wenn er sieht, daß nun auch seine gelehrte Schwester sich dem Glauben erschließen will.

     Der Angriff der Anglo-Amerikaner im Raume Stavelot

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Hans Brass: TBHB 1945-01-06. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-01-08_001.jpg&oldid=- (Version vom 2.9.2024)