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Seite:HansBrassTagebuch 1945-01-14 001.jpg

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Letzte. Die Russen behaupten, 4/5 der Stadt zu besitzen, sodaß mit der Kapitulation des Restes zu rechnen ist. Die schöne Stadt muß furchtbar zugerichtet sein. Sonst herrscht an der ganzen Ostfront nach wie vor Ruhe.

     Eine kleine Teiltragödie hat sich hier wieder abgespielt. Eine Frau Kuhrt, die früher immer als Sommergast in Althagen wohnte, ist seit einigen Jahren in Althagen wohnhaft geworden. Sie ernährte sich mit Schneiderei, doch war sie, wie sie sagte, eigentlich Schauspielerin. Sie hatte einen Sohn bei sich, der jetzt etwa 13 Jahre alt sein mag. Man sagte, daß sie eine Beziehung zu einem Angehörigen der Batterie gehabt habe, doch ist dieser Mann bis jetzt irgendwo an der Front gewesen. In diesen Tagen bekam sie die Nachricht, daß dieser Mann gefallen sei. Seitdem hat die Frau nicht mehr gegessen u. hat sich von Tag zu Tag sonderbarer benommen, sodaß man sie gestern nach Gehlsdorf bringen mußte. – Sie war katholisch, legte aber auf ihren Glauben keinen Wert u. sie soll sich außerdem reichlich viel mit Männern abgegeben haben. –

Sonntag, 14. Jan. 1945.     

     Gestern Abend wieder Nachricht von Fritz, datiert 25.12. Er beschreibt das Weihnachtsfest, an dem das Wichtigste eine kleine geistliche Andacht in einer Kapelle in Kolmar war, die Kapl. Stegmiller für sieben Angehörige seiner Einheit veranstaltete. Für den Rahmen der Feier in der Einheit hat dann Fritz in seiner Art gesorgt. Leider ist er wiederum von seinem Stabsarzt bei der Beförderung übergangen worden. Sein Regiment scheint nun wieder ganz aufgerieben zu sein, sodaß er dann, wenn er nun zu einer neuen Einheit kommen sollte, als einfacher Krankenträger wieder ganz von vorne anfangen muß. Dieser Stabsarzt scheint wirklich ein kleinlicher und häßlicher Mensch zu sein.

     Gestern wurde bekannt, daß die Russen nun endlich ihre lang erwartete Offensive begonnen haben bei Sandomier. Diese Offensive ist also gegen Krakau u. dann weiter gegen das Oberschlesische Industrie-Revier gerichtet Ihr Ausmaß wird wesentlich vom weiteren Fortschritt in Ungarn abhängen, nachdem Budapest gefallen sein wird, was aber vorläufig noch nicht der Fall zu sein scheint.

Montag, 15. Jan. 1945.     

     Am Sonnabend zeigte Grete uns einen Brief von Ihrer Tochter Eva, in welchem sie zur Kenntnis gibt, daß sie zum April ein Kind erwartet. Gestern Abend waren Küntzels bei uns u. wir besprachen den höchst unerfreulichen Fall. Paul, der gerade diese Tochter sehr liebt, ist von dieser Sache schwer erschüttert, doch nimmt er einen durchaus richtigen u. sachlichen Standpunkt ein. Er hat ihr einen Brief geschrieben, den er uns vorlas u. den wir bis auf eine kleine Härte durchaus billigten. Er wird diese Härte mildern, die sich übrigens nicht auf Eva, sondern den vorläufig noch unbekannten Mann bezog. Niemand kann von Paul erwarten, daß er über diesen Fall einfach mit sentimentalen Gefühlen hinweggeht, sondern er betont sehr richtig, daß er im Tiefsten verletzt ist.

Dienstag, 16. Jan. 1945.     

     Gestern Abend wieder Nachricht von Fritz, – leider keine gute. Sein Regiment ist nun wieder einmal gänzlich aufgerieben, es ist das, glaube ich, das vierte Mal. Anstatt nun endlich zur Neuaufstellung in die Heimat zu kommen,

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Hans Brass: TBHB 1945-01-14. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-01-14_001.jpg&oldid=- (Version vom 13.8.2024)