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Seite:HansBrassTagebuch 1945-01-31 002.jpg

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werden würde. Auch den Herrgott u. die Vorsehung bemühte er ausgibig; aber leider wußte er außer dem schon so oft ausgesprochenen Argument, daß die Vorsehung uns bestimmt helfen würde, nichts zu sagen, wie dieser Krieg für uns siegreich zu beenden sein würde. Es war das wohl die flachste u. schwächste Rede, die er überhaupt je gehalten hat. Er sprach aus dem Führerhauptquartier am Mikrophon, offenbar aus einem großen, leeren Saal, was deutlich an der Akustik zu hören war. So hatte diese ganze Rede etwas Gespenstisches, erhöht durch den dumpfen u. bösen Ton seiner Stimme. Man hatte den Eindruck, daß der Mann völlig allein in einem großen, leeren Saal stand u. seinen bösen Groll in's Leere rollen ließ. –

     Frau Dr. Scheid will Ahrenshoop verlassen. Ihr Mann hat für sie eine gute Unterkunft in einem Sanatorium in der Nähe von Cuxhafen, wo er selbst ärztlich praktiziert, wo Schwestern sind u. wo die Ernährung u. Heizung sicher gestellt sind. Die Schwierigkeit besteht nur darin, dorthin zu kommen. Um diese Schwierigkeit zu beheben, hat Herr Dr. Scheid den Mann von Marianne Clemens-Ziel überredet, auch Marianne mit den Kindern nach Hmb. kommen zu lassen, denn Herr Dr. Clemens hat die Möglichkeit, ein Lastauto nach Rostock zu schicken u. die beiden Frauen mit ihren Kindern u. Kisten u. Kasten dort abzuholen. Marianne war gestern Nachmittag bei uns u. erzählte uns davon. Es ergab sich, daß ihre Eltern, die nun ja wirklich alt u. gebrechlich u. sehr pflegebedürftig sind, über diesen Plan sehr traurig sind; aber daß auch Marianne selbst unschlüssig ist, ob sie diesen Plan durchführen soll, zumal sich telephonisch herausgestellt hat, daß auch ihr eigener Mann unschlüssig ist, obgleich Herr Dr. Scheid vorher telephon. behauptet hatte, Herr Dr. Clemens sei sehr für diesen Plan. Es stellte sich weiter heraus, daß für Marianne nur eine sehr ungenügende Unterkunft vorhanden sei, nämlich ein Jagdhaus in der Nähe von Lübeck, in dem weder Heizung, noch irgend welche Möbel vorhanden sind. Die Nahrungsbeschaffung ist sehr fraglich. Daraufhin bot ich alles auf, Marianne diesen ganzen unsinnigen Plan auszureden u. es gelang mir auch, sie zur Einsicht zu bringen. Später am Abend kam dann Frau Dr. Scheid, mit der Marianne inzwischen gesprochen hatte. Sie war überaus aufgeregt u. offensichtlich wütend auf mich. Das erste, was sie sagte, nachdem ich ihr bestätigt hatte, daß ich Marianne die Sache ausgeredet hätte, war: „ja, dann kriege ich ja kein Auto!“ – Damit zeigte sie, daß dieser ganze Unsinn eben nur dazu in Szene gesetzt worden ist, damit sie auf diese Weise zu einem Auto kommt. Ich antwortete ihr, daß ich es für sie selbst ja sehr richtig fände, wenn sie mit ihren Kindern von hier fort in die angenehme Sicherheit jenes Sanatoriums ginge, daß aber für Marianne die Sache doch gänzlich anders aussähe, ja, daß überhaupt garkein Grund dazu vorläge, eine Sicherheit, die M. hier hat, aufzugeben u. gegen eine völlige Unsicherheit einzutauschen, zumal da auch ihr Mann von sich aus garnichts derart verlangt. – Damit dürfte ich mir nun wohl die Feindschaft dieser Frau erworben haben. –

     Paul's Schwester ist nun ebenfalls aus einem kleinen Ort in der Nähe von Stettin, wo sie die Stellung als Wirtschaftslehrerin inne hatte, nachdem sie schon vorher von Berlin

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Hans Brass: TBHB 1945-01-31. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-01-31_002.jpg&oldid=- (Version vom 14.8.2024)