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Seite:HansBrassTagebuch 1945-02-14 001.jpg

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Sendung mitzuhören u. sicher haben viele Gebrauch davon gemacht. Ich nehme an, daß wir nun mit Flugblättern überschüttet werden, die diese Konferenzbeschlüsse im Volke verbreiten werden, die Nazis aber werden Gift u. Galle speien. –

     Im Osten sind die Russen wiederum erheblich voran gekommen. Sie haben Bunzlau genommen, 100 km. westlich von Breslau. Auch die Engländer machen Fortschritte, sie haben den Ostrand des großen Reichswaldes bei Cleve erreicht. – Anneliese schreibt aus Berlin, daß dort Barrikaden gegen die Russen gebaut werden. Weckmann ist nun auch zum zweiten Male total ausgebombt, seine Schwiegertochter liegt unter den Trümmern, die verbrannten Leichen lagen noch tagelang auf den Straßen herum. –

     Gestern wurde Neumann beerdigt. Der Sarg war im Saale aufgebahrt, sehr viele Kränze, der Saal mit vielen Tannenbäumen usw. geschmückt. Frau Neum. wird sagen, daß es sehr „scheen“ war. Es war ein großes Theater. Pastor Loeber hielt die Ansprache u. um etwas Gutes von dem Toten zu sagen, sagte er, daß er ein guter Jäger gewesen sei. Es waren sehr viele Leute da. Zum Eingang sollte gesungen werden: „Befiehl Du Deine Wege...“, aber es konnte fast keiner den Text, sodaß Pastor Loeber fast allein sang. Diese Menschen hierzulande haben in der Schule wohl Rechnen, Lesen u. Schreiben gelernt, aber zu Gott wissen sie kein Wort zu sprechen. So bleibt nichts, als Theater. –

     Heute schneit es wieder, nachdem wir einige milde Frühlingstage gehabt haben.

Aschermittwoch, 14. Febr. 1945.     

     Gestern zwei Briefe von Fritz, der eine Nr. 7. vom 31.1. u. fortgesetzt am 3.2., der andere ohne Nummer u. per Reichspost ebenfalls vom 3.2., gestempelt vom 5.2. aus Mollheim in Baden. Brf. Nr. 6., der noch fehlt, ist als Päckchen mit einigen Broschüren unterwegs u. wird hoffentlich später eintreffen. – Am 31.1. war seine Lage recht bedrohlich, aber dann scheint seine Einheit doch noch rechtzeitig herausgekommen zu sein. – Er kündet einige Neuerscheinungen an aus dem Alsatia- Verlag, darunter auch einen Katechismus der Diozöse Straßburg, da Feldw. St. ihm gesagt hat, daß ich einen solchen für meinen Religionsunterricht brauchen könnte. In der Tat kann ja kein Kind mehr einen Katechismus kaufen, da der Druck solcher Bücher von den Nazis längst verboten worden ist.

     Am 3.2. ist seine Einheit plötzlich aus der Stellung herausgezogen worden. Alle Fahrzeuge mußten über den Rhein. Fritz fuhr den Gerätewagen, vollgepackt mit allen Sachen u. zwei andere Wagen im Schlepp angehängt, weil sie kein Benzin hatten. Es war Glatteis u. unterwegs wurden sie von 12 Jagdbombern angegriffen, die aber das Rote Kreuz respektierten, sodaß er gut nach Badenweiler kam. Dort luden sie die Verwundeten u. Kranken ab, selbst fuhren sie weiter nach Schweighof, 3 km. von Badenweiler, wo Quartier vorbereitet sein sollte, was aber nicht zutraf. Alle Orte dort sind überfüllt mit Flüchtlingen u. Truppen. – Fr. soll, nachdem er die drei Wagen irgendwo eingestellt hat, selbst wieder über den Rhein zurück zu seiner Einheit, aber er glaubt, daß die Feinde eher über den Rhein kommen werden, als er, oder doch wenigstens seine Einheit.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-02-13. , 1945, Seite 004. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-02-14_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.9.2024)