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Seite:HansBrassTagebuch 1945-03-08 001.jpg

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zunächst überaus vorteilhaft an. Spangenberg brachte uns ein fettes Huhn, von dem wir gestern u. heute aßen u. noch morgen haben. Auch sonst ist es viel besser, da Grete garkeinen Sinn für angenehme Aufmachung hat u. das Essen bei ihr immer langweilig aussieht u. auch so schmeckt.

     Paul macht uns Sorge. Es fehlt ihm zwar nichts, aber er sieht schlecht aus u. schläft am Tage leicht ein. Er ist bestimmt nicht gesund u. läßt sich von den Tagesereignissen sehr bedrücken.

Donnerstag, 8. März 1945.     

     Gestern Abend beim Vortrag schlief eine Höherin ein u. fing an zu schnarchen. Ich glaube, es war Frau Sadom, die Schwägerin von Frau Lücke, welche beide gestern da waren, nachdem sie nur den ersten, einleitenden Vortrag gehört hatten, an den anderen Abenden fehlten sie. Solche Frauen sind natürlich überaus störend. Es fehlten gestern leider Frau Dr. Müller-Bardey u. Frl. Wernecke, die beide krank sind, ebenso fehlte die Hoffmann=Tochter Frau Pilster. – Während des Vortrages war wieder starkes Fliegergeräusch zu hören. Gestern Abend haben sie Saßnitz anscheinend sehr schwer angegriffen, im Hafen lagen mehrere Schiffe. Der Krieg rückt uns bedenklich auf den Hals. Swinemünde ist jetzt Kriegsgebiet.

     Hollesen ist immer noch da, es heißt, daß er morgen fahren will.

     Eben zwischen 11 – 12 Uhr war Herr Soehlke hier. Er sah furchtbar elend aus, hat 25 Stunden gebraucht, um von Berlin hierher zu kommen, u. erzählte schreckliche Dinge. Von seinen Angestellten, mehreren Hundert, hat er den größten Teil entlassen müssen, der kleine Rest sitzt herum u. tut nichts. So wie bei ihm ist es bei allen Firmen u. Unternehmungen, die Arbeitslosigkeit wächst daher rapide. Berlin selbst ist nach den letzten Luftangriffen eine völlige Ruinenstadt geworden, unter den Trümmern liegen noch Tausende von Leichen. Durch die Trümmer fahren Lastautos mit schwer bewaffneter SS. Man sieht Plakate, welche lange Namensreihen von Leuten enthalten, – Offiziere, Soldaten, Zivilisten –, die standrechtlich erschossen worden sind. Es gibt nichts zu essen, kein Wasser, kein Gas, keinen Strom. Ganz Berlin ist abgesperrt u. kein Mann kann die Stadt verlassen, wenn er nicht Gefahr laufen will, erschossen zu werden. Es muß grauenhaft sein. Die Regierungsstellen haben Bln. natürlich längst verlassen, das Volk muß da bleiben u. Barrikaden bauen, die natürlich lächerlich sind. Jetzt wird Stettin evakuiert, heute sollen viele Flüchtlinge in Wustrow u. Althagen ankommen, dabei ist es sehr kalt, es schneit u. regnet durcheinander. –

     Herr S. muß in Berlin bleiben. Er ist besorgt um seine Frau u. die Kinder, ich habe ihm, so gut ich konnte, die Sorge ausgeredet. Er ist ja auch ein sehr verständiger Mann. – Das Volk ist natürlich verbittert u. schimpft. Dabei fährt die Regierung fort, ihre Gräuel-Propaganda gegen die Russen zu treiben, sagt aber dem Volk nicht, wohin es flüchten soll. Die Gewissenlosigkeit dieser

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Hans Brass: TBHB 1945-03-07. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-03-08_001.jpg&oldid=- (Version vom 6.9.2024)