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Seite:HansBrassTagebuch 1945-03-19 001.jpg

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Montag, 19. März 1945.     

     Vormittags Frau Seeberg, die mir die 4 Bände der kathol. Dogmatik von Schmauss brachte, die ich ihr abkaufen werde. Sehr schön!

     Die Amerikaner haben an einigen Stellen bereits die Nahe überschritten.

     Das Licht ging gestern um 3 Uhr wieder aus. Um 9 Uhr Abends gingen wir schlafen.

     Heute Vormittag an Ruth einen Osterbrief geschrieben. – Gestern Nachmittag war der Obergefreite Mehlis da zum Kaffee, ein braver, biederer Seemann. Später war Spangenberg da, den ich noch nie so bedrückt gesehen habe. Er war mit dem jungen Hagedorn zur Konfirmation nach Prerow gefahren u. hatte dort das furchtbare Flüchtlingselend gesehen. Es ist wirklich grauenvoll. Ein Junge hier bei uns ist an Diphteritis gestorben. – Ich traf morgens Frau Ribinsky, deren Kind ich s. Zt. beerdigt hatte. Ihr Mann ist bisher glücklich herausgekommen u. befindet sich nun in der Gegend von Senfenberg. Sie erzählte mir von ihren Schwestern, die aus Allenstein geflüchtet sind. Ich fragte sie nach Grausamkeiten der Russen, aber sie wußte davon nichts, sondern nur davon, daß unsere Regierung die Leute in dieses Elend hineingestürzt hat, sodaß die Leichen der auf der Flucht verstorbenen Menschen an den Wegen herumliegen.

Dienstag, 20. März 1945.     

     Die Offensive über die Mosel im Rücken des Saargebiets macht starke Fortschritte. Die Nahe ist bereits überschritten, die Amerikaner stehen dicht vor Kaiserslautern. Unser Rückzug scheint wieder einmal in wilde Flucht auszuarten. In die vollgepfropfen Straßen schießen die Jagdbomber mit Bordwaffen. Auch der rechtsrheinische Brückenkopf wird ständig erweitert. Bei uns sind vier Offiziere standrechtlich erschossen worden, weil die Brücke bei Rehmagen nicht rechtzeitig gesprengt worden ist. Standrechtliche Erschießungen sind überhaupt an der Tagesordnung, sowohl an der Front, wie in der Heimat. Die Russen haben Kolberg erobert u. haben dort zahlreiche an Bäumen erhängte Soldaten gefunden, an denen Zettel angeheftet waren mit der Aufschrift: „Ich bin erhängt worden, weil ich die Waffen strecken wollte“.

     Indessen geht die furchtbare Luftoffensive verstärkt weiter. Vorgestern wurde Berlin wieder sehr schwer angegriffen, es soll der schwerste Angriff bis jetzt gewesen sein, er hat eine Stunde gedauert. Der Stettiner Bahnhof u. alle Gleisanlagen nach Stettin sind nun wohl endgültig erledigt. Im Westen verwenden sie jetzt die neue 10 Tonnen-Bombe, welche unvorstellbare Wirkungen haben soll, auch die festesten Bunker geben da keinen Schutz mehr. Eisenhower hat nun drei Tage hintereinander Warnungen erlassen, zuerst an die Einwohner von Frankfurt, Mannheim u. Ludwigshafen, dann an die Eisenbahner dieses Gebietes u. dann an die Rüstungsarbeiter. Er hat alle aufgefordert, diese Gebiete unverzüglich

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-03-19. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-03-19_001.jpg&oldid=- (Version vom 16.8.2024)