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Seite:HansBrassTagebuch 1945-03-21 001.jpg

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zu verlassen, weil ein Dortbleiben sicheren Tod bedeutet. Es soll eine Massenflucht eingesetzt haben, – wohin die armen Menschen fliehen, ist mir unklar.

     Am Niederrhein ist für die nächsten Tage ein neuer großer Angriff zu erwarten zur Ueberquerung des Rheins, u. zur Eroberung des Ruhr-Reviers. – In Ungarn am Plattensee ist unsere Offensive völlig gescheitert, wie zu erwarten war u. die Russen sind nun ihrerseits im Angriff. Da wir bei unserer Offensive viel Material verloren haben, das kaum ersetzt werden kann, werden die Russen nun leichtes Spiel haben, zumal sie nicht nur an dieser Stelle angreifen werden, sondern in dem ganzen großen Boden vom Plattensee bis nach Niederschlesien. Der Führer beschäftigt sich derweil damit, Hitlerjungens zu empfangen u. zu begrüßen, die sich im Kampfe ausgezeichnet haben. Einer von diesen, ein 12jähriger Bengel, dem man gründlich den Hintern versohlen sollte, hat das EKII von ihm bekommen.

     Wenn ich daran denke, daß in diesem Frühjahr die Feldbestellung in ganz Ostpreußen, Westpreußen, dem größten Teil von Pommern, von Nieder= u. Oberschlesien u. einem Teil von Brandenburg, sowie in dem ganzen Lande links des Rheines nicht mehr stattfinden wird, u. daß im übrigen Deutschland sicher nicht mehr geerntet werden wird, was jetzt vielleicht noch gesät wird, – u. daß dieser noch übrige Teil Deutschlands vollgepfropft ist mit Flüchtlingen, Fremdarbeitern u. Soldaten, so kommt mir das Grauen. In Deutschland werden die Menschen zu Tausenden sterben, wenn schon längst kein Schuß mehr fällt.

Mittwoch, 21. März 1945.     

     Gestern Nachmittag Besuch bei Frau Krauss, wo ich leider viele Frauen antraf. Außer den 3 Töchtern, von denen die Aelteste aus Beskow für einige Tage zu Besuch gekommen war, waren noch die beiden Frauen Korsch anwesend. Frau Krauss machte einen überaus schlechten Eindruck, sie war gelb u. sehr matt u. litt an Schmerzen. Sie hat sich seit dem letzten Dienstag, wo ich bei ihr war, sehr verschlechtert. Als ich fortging, traf ich Frau Longard, die ich dann bis zu ihrem Hause begleitete.

     Ich war entsetzt über die vielen fremden Kinder, die ich auf der Dorfstraße sah u. die seit dieser Woche hier sind. Sie sehen zumeist schrecklich verwahrlost aus. Ich merke das auch am Garten, in dem diese Kinder wahrscheinlich die Schneeglöckchen abgerissen haben. –

     Der Warnung Eisenhowers an die Bevölkerung von Frankfurt, Mannheim u. Ludwigshafen, diese Städte sofort zu verlassen, ist nun dieselbe Warnung an die Bewohner des Ruhrreviers gefolgt. Der Angriff steht nun also unmittelbar bevor. – Die Amerikaner haben nun das Saarland durchstoßen bis zum Rhein u. haben Worms genommen, ebenso Kaiserslautern. Sie stehen am Stadtrande von Mainz. Damit ist alles, was noch von Saarbrücken bis zum Rhein steht, abgeschnitten, oder es liegt doch alles unter pausenlosen Luftangriffen. Die Amerik. melden große Beute an motoris. Fahrzeugen, die wegen Benzinmangels nicht fortgeschafft werden konnten u. hohe Gefangenenziffern. Es scheint eine allgemeine

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Hans Brass: TBHB 1945-03-20. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-03-21_001.jpg&oldid=- (Version vom 16.8.2024)