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Seite:HansBrassTagebuch 1945-03-29 001.jpg

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breiter Front über den Rhein tief ins Land hinein u. unsere Soldaten ergeben sich zu Zehntausenden. Es ist ein totaler Zusammenbruch. Es heißt, v. Rundstedt habe dem Führer gemeldet, es sei ein weiterer Widerstand nicht mehr möglich u. er sei daraufhin abgesetzt worden. Jetzt beweist Kesselring, daß v. Rundstedt recht hatte. Die Amerikaner stehen dicht vor Würzburg u. dicht vor Gießen, wahrscheinlich sind sie schon weiter, denn sie haben Nachrichtensperre verhängt.

     Nun hat auch Argentinien an uns den Krieg erklärt. –

     Auch vor Königsberg haben sich vorgestern 21000 Mann den Russen ergeben, in Danzig u. Gdingen wird gekämpft. In Ungarn dringen die Russen gegen Wien vor.

     Auf den Bengel Baldur v. Schirach haben die Wiener ein Attentat verübt, aber es ist mißlungen, nur drei Leute seiner Begleitung sind getötet worden.

     Gestern besuchte ich wieder Frau Krauss, die zusehends weniger wird. – Heute kam eine Flüchtlingsfrau aus Althagen zu mir, es sei eine Verwandte von ihr gestorben, sie sei katholisch sie wußte nicht was sie tun sollte. Ich habe sie an den Pfarrer von Marlow verwiesen; aber der wird ja nicht kommen können. –

     Es scheint, als hätten die Amerikaner den Plan, über Würzburg – Nürnberg – Regensburg nach München vorzustoßen, u. damit die ganze italien. Front abzuschneiden u. Nord= u. Süddeutschland zu trennen. Die Franzosen haben den Rhein bisher noch nicht überschritten, aber das kann nicht lange dauern. Mindestens werden die Amerikaner von Norden her diesen Teil von Baden u. Würtemberg besetzen u. Fritz wird so in Gefangenschaft geraten. –

Donnerstag 29. März 1945.     

     Der Vortrag gestern Abend war nur schwach besucht. Warum, weiß ich nicht. Es war nur das Ehepaar Ziel da, die ja überhaupt zu den eifrigsten gehören, ferner Ilse Schuster, Frl. Wernecke u. Frau Korsch, die mir nachher sagte, daß ihr Mann jetzt anfinge, nervös zu werden u. an Abreise dächte. Es liegt aber garkein Grund zu solcher Nervosität vor, im Gegenteil: die Entwicklung im Westen macht so rasche Fortschritte, daß nun auch die Engländer anfangen, von Waffenstillstand u. Frieden zu reden. Es ist offensichtlich, daß unser Widerstand völlig zusammengebrochen ist, Panzer u. andere Fahrzeuge liegen überall mit leeren Tanks herum, Munition kann nicht mehr herangebracht werden. Nur einzelne Kommandeure glauben noch, hier u. da mit Handfeuerwaffen Widerstand leisten zu müssen. Es herrscht Nachrichtensperre an der ganzen Westfront, nur so viel ist bekannt, daß das Ruhrrevier im Norden u. im Süden umgangen wird. Die Amerikaner sind bereits über Gießen hinaus und im Maingebiet scheinen sie südlich Würzburg vorbei in Richtung Nürnberg vorzustoßen. Es ist ja möglich, daß Kesselring noch einmal irgendwo den Versuch machen wird, Widerstand zu leisten, aber Erfolg kann das nicht mehr haben. Auch die Russen stehen jetzt 15 km. vor der österreich. Grenze.

     Gestern kam überraschenderweise eine Karte von Kurt vom 20. März, ohne daß zu erkennen war, wo er ist. Er kann eigentlich nur bei oder in Danzig sein. Gdingen

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-03-28. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-03-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 6.9.2024)