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Seite:HansBrassTagebuch 1945-03-31 001.jpg

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Karsamstag, 31. März 1945.     

     Paderborn u. Heidelberg sind genommen. Sonst ist wenig von der Westfront zu hören, da die Nachrichtensperre sehr streng durchgeführt wird. Wahrscheinlich sind die Ango-Amerikaner schon sehr viel weiter, als wir wissen. Sicher ist, daß sie dicht vor Münster.: Westf. u. vor Kassel stehen. Gestern hatten Hamburg, Bremen u. Wilhelmshafen sehr schwere Luftangriffe, – vielleicht Vorboten einer neuen Landung?

     Gestern Nachmittag 3 Uhr Kreuzweg bei recht guter Beteiligung. Später war Martha bei Frau Krauss, der es zusehends schlechter geht. Ich will heute Nachmittag hingehen, damit wir morgen nicht hingehen müssen. Die Tochter, Frau Ranke, hat ihrer Mutter den Tod ihres Mannes verschwiegen, wozu eine heroische Selbstbeherrschung gehört.

     Heute hat Martha Verkauf für Ostern. Kinder u. Frauen haben allerhand kleine Ostersachen gebastelt, die sehr nett aufgebaut sind.

Ostersonntag, 1. April 1945.     

     Heute eine sehr schöne Andacht, das Zimmer war brechend voll, darunter 2 Soldaten von der Batterie u. sogar Kapitänlt. Dr. Krappmann. Ich hielt eine Ansprache über die Not dieses Osterfestes die mir diesmal wirklich aus tiefstem Herzen kam u. die offensichtlich auf alle Anwesenden einen tiefen Eindruck gemacht hat. –

     Gestern war ich bei Frau Krauss, die mich aber bereits nicht mehr erkannte. Sie lag mit offenen, aber abwesenden Augen, jedoch ruhig u. regelmäßig atmend. Der Sohn ist auf Urlaub gekommen, er ist Soldat bei der Luftwaffe.

     Gestern Vormittag brachte mir Frau Masurek, die Tochter von Frau Krauss, die in Bln. gewesen war, einen Anzug aus ihrem Geschäft mit, der zwar kriegsmäßig verarbeitet ist, sodaß mit Taschen gespart ist, aber aus gutem Kammgarn. Die Lieferanten verarbeiten jetzt die alten, friedensmäßigen Stoffe, die noch seit vor dem Kriege liegen, aus Angst, daß diese Stoffe dem Feuer u. den Bomben zum Opfer fallen. Ich zahlte 128, – Rm.

     Nachmittags beim Frisör Saatmann, der unheimliche Dinge erzählte. Er ist beim Zoll eingezogen, schon seit Kriegsbeginn, u. muß oft dienstlich nach Stralsund. So auch in der letzten Woche. In Velgast kam kein Zug u. er mußte warten. Da lief ein langer Güterzug ein, bestehend aus offenen Loren, auf denen Flüchtlinge lagen, die seit Tagen unterwegs gewesen waren. Die Leute sahen toll aus u. es war ein Gestank, der nicht zu ertragen war. Sie schrien verzweifelt nach Essen, aber es ließ sich kein Beamter keine NSV=Schwester sehen. Die Zollleute gaben den Flüchtlingen ihre Frühstücksstullen. Schließlich kam auch ein Parteimensch in Uniform, der aber natürlich machtlos war. Ein alter Mann schrie diesem Menschen zu: „Wenn Du uns nichts zu essen schaffen kannst, dann geh wenigstens hin u. besorge ein Maschinengewehr, um uns niederzuschießen!“

     Solche u. schlimmere Dinge hört man von allen Flüchtlingen. Und nun ist ein Anschlag an der Dorftafel,

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Hans Brass: TBHB 1945-03-31. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-03-31_001.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2024)