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Seite:HansBrassTagebuch 1945-04-04 002.jpg

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hören, – er hatte ja schon vor 8 Uhr angefangen. Hätte er alle diese Beichten gehört, dann würde es darüber Mittag geworden sein. So erklärte er, daß er allen vor der hl. Kommunion die General-Absolution erteilen würde, daß aber jeder verpflichtet sei, die Beichte bei passender Gelegenheit nachzuholen. – Schw. Maria war ebenfalls da u. spielte wohl die Orgel, auch die Meßjungen hatte sich der Pfarrer mitgebracht, unter ihnen Friedrich Hertweg. – Dann folgte das Hochamt mit einer recht guten Predigt. Der Pfarrer sah überraschend frisch aus. Nach dem Hochamt gingen wir gleich hinaus, da es uns ganz zwecklos schien, den Pfarrer noch selbst zu sprechen, denn die Menschen strömten zu ihm in die Sakristei mit ihren Anliegen; aber der Pfarrer kam uns nachgelaufen u. so konnten wir ihn wenigstens noch kurz begrüßen. Das Wetter war inzwischen etwas wärmer geworden. Wir fuhren bald wieder los u. waren 1/4 nach 1 Uhr endlich wieder zuhause, ziemlich erschöpft. –

     Um 1/2 4 Uhr gingen wir zur Beerdigung der Frau Kraus. Es waren nur wenige Menschen da. Außer den beiden Töchtern Frau Masurek u. Frau Ranke u. dem Sohn war noch die Schwägerin von Frau Masurek da, die Katholikin ist, sowie Frau Dr. Korsch. Unsere Frau Korsch fehlte leider, da sie mit ihrem Mann, der eben hier gewesen war, nach Rostock gefahren war. Sie wollte zur Beerdigung wieder hier sein, hat aber wohl den Anschluß nicht erreicht. Ferner waren Martha u. Grete da, sodann Frau Longard, die junge Frau Garthe, die alte Frau Dettmann mit ihrer Freundin Stöwer, der Witwe des Marinemalers aus der Zeit Wilhelms II u. sonst noch zwei oder drei Leute. – Ich betete die Psalmen u. einige Gebete aus der Totenmesse, wie der Pfarrer es mir geschrieben hatte, u. hielt eine Ansprache, die offenbar auf alle einen sehr tiefen Eindruck gemacht hat u. bei der ich den Katholizismus stark betonte. Es war für mich gleichzeitig eine Propaganda, denn ich wollte den Protestanten gern zeigen, wie wir unsere Toten beerdigen im Gegensatz zu den Protestanten. Das ist mir anscheinend auch ausgezeichnet gelungen. Am Grabe auf dem Friedhof segnete ich das Grab mit Weihwasser, sprach noch ein Vaterunser u. das Salve Regina. Frau Mazurek, die Tochter, trat als erste an das Grab u. warf die Erde nach, dann betete sie still u. bekreuzigte sich dann. Vielleicht wird diese Beerdigung sie einen Schritt weiter gebracht haben zum Katholizismus.

     Auf dem Wege zum Friedhof begegnete uns der evang. Pastor Kumpf, der ein starker Katholikenhasser ist. Er warf einen halb erstaunten, halb zornigen Blick auf den Leichenwagen u. schritt grußlos vorüber. Damit gab dieser Mann zum zweiten male einen lebendigen Anschauungsunterricht über den Unterschied von Protestantismus u. Katholizismus. Wenige Schritte weiter begegneten wir am Kurhause einem älteren, einfachen Mann von der Verwandtschaft Neumanns, der ehrfürchtig das Haupt entblößte, obwohl er so weit zurück auf dem Kurhaus-Gelände stand, daß er diese Geste der Ehrfurcht auch ruhig hätte unterlassen können. Daß er sie dennoch tat, war wiederum eindrucksvoll.

     Auf dem Nachhauseweg ging die junge Frau Garthe neben mir u. äußerte sich zwar sehr töricht, aber doch

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Hans Brass: TBHB 1945-04-06. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-04_002.jpg&oldid=- (Version vom 19.8.2024)