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Seite:HansBrassTagebuch 1945-04-18 001.jpg

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frei zu machen, da man uns benachrichtigt hat, daß auch wir Flüchtlinge aufnehmen müssen. Man hatte sogar die Absicht, die Leute in der Bu. Stu. auf Stroh zu legen, doch scheint man davon zunächst abgekommen zu sein.

     Von Loischer kam ein Telegramm: „Ueberweisen Sie bitte sofort telegraphisch 4100 – Rm., Ware unterwegs“. Grade gestern habe ich ihm einen Verrechnungsscheck über 480,– Rm. geschickt, da ich nicht wußte, wie ich ihm sonst das Geld für seine letzte Sendung zukommen lassen sollte. Er wollte es eigentlich per Postanweisung in bar haben, aber ich wollte mein Konto bei der Sparkasse verringern. Er hatte vor einiger Zeit geschrieben, ob wir ihn hier unterbringen könnten, aber das geht ja nicht mehr. – Er will nun wohl seine Ware, die er so lange zurückgehalten hatte, im letzten Moment noch los werden. Ich werde ihm aber das Geld erst schicken, wenn ich die Ware wirklich hier habe. –

     Da kein Strom ist, sind wir ohne Nachrichten u. man weiß nicht, wie die Lage ist. Es kann passieren, daß die engl. Panzer plötzlich ins Dorf rollen.

Mittwoch 18. April 1945.     

     Einem Gerücht nach soll gestern von 4 – 6 Uhr Morgens Strom gewesen sein. Wir versuchten es heute früh u. hatten tatsächlich Erfolg. Wir hörten wenigstens den Soldaten-Sender. Als um 6 Uhr der engl. Sender anfing, setzte der Strom wieder aus. – So hörten wir also, daß Leipzig eingeschlossen ist. Der Truppenkommandant wollte die Stadt übergeben, aber der Nazi-Bürgermeister verlangte, daß gekämpft wird. So liegt diese Stadt, die ohnedies nur noch ein Trümmerhaufen ist, jetzt unter dem pausenlosen Artilleriefeuer u. den Bomben aus der Luft. In Nürnberg, wo nach Ruth's letzter Nachricht Erich ist, um die Verkehrsanlagen zur Sprengung vorzubereiten, wird gekämpft. Dresden liegt nur noch 25 km. vor der Front, Chemnitz ist umgangen. In dieser Gegend haben die Amerikaner die Tschechoslowakische Grenze erreicht. Der Brückenkopf südl. Magdeburg ist erweitert in Richtung Berlin. Es scheint so, als hätten die Russen bei Frankfurt die Oder überschritten, ebenfalls in Richtung Berlin, aber das ist nicht ganz klar, jedenfalls steht die Vereinigung der West= u. Ostfront jetzt dicht bevor, u. zwar südl. Berlin. Man wird nun bald nicht mehr von einer West= u. Ostfront sprechen können. – Gegen Hambg. sind die Engländer ebenfalls weiter vorgekommen, aber nicht so weit, wie gestern Gerüchte wissen wollten, die von Kämpfen bei Ludwigslust sprachen. Die Engländer scheinen ihre größte Anstrengung in Holland zu machen, um dieses Land zu befreien. – Der Gauleiter von Hamburg, Kaufmann, soll erschossen worden sein, weil er die Stadt übergeben wollte. –

     Gestern Nachmittag Herr + Frau Dr. Umnus. Er ist ein sehr intelligenter, aber restlos materieller Mensch, mit dem man nicht viel anfangen kann. Die Frau scheint neben diesem Mann kein sehr glückliches Leben zu führen.

     Gestern zog also ein altes Ehepaar Meier im Boden des kleinen Hauses sein, mit ihrem Sohn, der etwa 45 Jahre alt sein mag u. einen etwas blöden Eindruck macht. Ich werde mich heute einmal um die Leutchen kümmern.

     Heute ist es nebelig u. kalt, das schöne Frühlingswetter scheint vorüber zu sein.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-04-17. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-18_001.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2024)