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Seite:HansBrassTagebuch 1945-04-25 001.jpg

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ab heute Nacht jeglicher Personenverkehr auf der Eisenbahn eingestellt worden sei. –

     Die NSV u. die Partei haben gestern das letzthin gesammelte sog. Volksopfer, dessen Ertrag bisher auf der Gemeinde lag, weil niemand es abtransportieren konnte, der Bu Stu übergeben, damit die Sachen in der von Martha eingerichteten Schneiderstube für die notleidenden Flüchtlinge verwendungsfähig gemacht werden sollen. Das ist für Martha wieder eine neue, sehr umfangreiche Arbeit, bei der Paul sehr gut helfen kann, damit alles ordnungsmäßig organisiert wird. Die NSV versagt ja vollständig, da Frau Booth der Sache nicht gewachsen ist u. Geld ist auch nicht vorhanden. Das Elend unter den Flüchtlingen ist teilweise furchtbar. Martha hat da schon längst von sich aus angefangen, praktisch zu helfen u. zwar mit so gutem Erfolg, daß die NSV sich nun endlich entschlossen hat, ihr diese ganze Sache zu übergeben. Der einzige der hier wirklich etwas für die Flüchtlinge tut, ist Herr Deutschmann u. er ist wohl auch die treibende Kraft dafür, daß man Martha die Sache übergeben hat. Diejenige von all diesen Nazi=Weibern, die in all diesen Jahren den Mund am weitesten aufgerissen haben, die Frau Siegert, ist jetzt, wo es sich um tatkräftige Hilfe handelt, überhaupt nicht mehr zu sehen. –

Mittwoch, 25. April 1945.     

     Heute soll die San-Franzisko-Konferenz beginnen. Da der Soldaten-Sender nichts darüber gesagt hat u. es sonst keine Nachrichten mehr gibt, – selbst der Rost. Anzeiger kommt nicht mehr, – so weiß man nichts. –

     Die Kämpfe in Berlin nehmen ihren Fortgang. Von Hitler ist bisher in Berlin nichts zu sehen u. zu hören gewesen u. es ist durchaus möglich, daß die Nachricht, er habe den Oberbefehl in Bln. übernommen, nur ein Bluff von Goebbels war. In Süddeutschland, besonders in Oesterreich, scheint die Aufstandsbewegung schärfere Formen anzunehmen u. die Amerikaner machen dort anscheinend gute Fortschritte im Gegensatz zu den Engländern im Norden, die noch immer keine Anstalten machen, die Elbe zu überschreiten. Sie gehen nicht einmal auf Bln. weiter vor. Vor Bremen u. Hamburg scheint die Lage nicht wesentlich verändert zu sein. Vielleicht vermeiden sie absichtlich Kämpfe, um die Nordseehäfen möglichst unbeschädigt in die Hand zu bekommen. Dann aber sieht es so aus, als hätten sie nicht die Absicht, die Elbe zu überschreiten, vielmehr ganz Vorpommern u. Mecklenburg den Russen zu überlassen, die nun südlich Stettin wieder neu angegriffen haben. Dann würden wir also doch von den Russen besetzt werden. Die Offensive in Italien geht nun ebenfalls voran. Die Anglo-Amerikaner haben Bologna u. Ferrare genommen, nun auch Spezia, wo der Oberlt. Steinmetz sitzt, der früher hier bei der Batterie war u. es ist anzunehmen daß sie jetzt bei Ferrara den Po überschreiten werden u. unsere Truppen in den Winkel südl. der Schweiz hineinpressen werden. –

     Gestern Nachmittag kam Eva Küntzel hier an mit ihrem Kinde. Sie war von Wustrow aus zu Fuß hierher gekommen. Abends begrüßte sie uns. Wir saßen im Seezimmer u. die Sonne stand dicht über dem Horizont, sodaß sie voll ins Zimmer schien. Eva kam durch die Tür, die dem Fenster gegenüberliegt. Sie tat so, als ob die Sonne sie blendete u. verhüllte ihr Gesicht in den Händen. Wir sprachen dann nur kurz mit ihr. Sie sieht schrecklich

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Hans Brass: TBHB 1945-04-24. , 1945, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-25_001.jpg&oldid=- (Version vom 23.8.2024)